Frau vor einer Kamera filmt eine Lehrveranstaltung
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Globale Umfrage
Wie Hochschulen weltweit mit Corona umgehen

Die Corona-Pandemie könnte die Hochschulen dauerhaft verändern. Eine Umfrage unter Hochschulleitungen zeigt deren globalen Sorgen und Hoffnungen.

27.06.2020

Die Corona-Pandemie könnte Forschung und Lehre an Hochschulen dauerhaft verändern. Darin sind sich Hochschulleitungen weltweit einig, wie aus einer Umfrage von "Times Higher Education" (THE) und Microsoft hervorgeht. 200 Leitungen von renommierten Universitäten aus 53 Ländern hatten daran im Mai teilgenommen.  

Fast alle Hochschulen haben ihre Lehre demnach ins Digitale verlegt: Bis auf elf Ausnahmen gaben alle der 200 Befragten an, mindestens ein Viertel ihrer Lehrveranstaltungen online durchgeführt zu haben. Mehr als die Hälfte der Unis habe die Lehre sogar komplett digitalisiert. Die verbliebenen Präsenzveranstaltungen hätten unter Vorsichtsmaßnahmen stattgefunden. Auch die Prüfungen führen der Umfrage zufolge 44 Prozent der Hochschulen komplett online durch, 43 Prozent zumindest teilweise. Alternativ prüfen die Hochschulen nach eigenen Angaben über Projekt- und Hausarbeiten, mündlich oder durch kontinuierliche Bewertung der Leistung in den Kursen.

Zumindest aus technischer Sicht sind die meisten zufrieden mit ihrem Wechsel ins Digitale. 85 Prozent der Hochschulleitungen gaben an, gute Lösungen gefunden zu haben und lobten ihre Unterstützung von Dozierenden. Dazu gehörten etwa speziell eingerichtete Lehrräume auf dem Campus, von wo aus die Dozierenden Lehrveranstaltungen abhalten konnten, oder Helpdesks über die sich Dozierende – teils rund um die Uhr – informieren konnten.

Einzelne Fächer schwer zu digitalisieren

Bei der Qualität sehen einzelne laut Umfrage noch Luft nach oben: Jeder Fünfte war der Ansicht, die Qualität habe gelitten, doppelt so viele waren anderer Ansicht. Über einen gelungenen Transfer ins Digitale entscheidet nach Ansicht der Befragten teils das Fach – Medizin und Zahnmedizin seien am schwersten zu digitalisieren –, teils die Einstellung der Dozierenden.

79 Prozent der Befragten wollen nach Abschluss der Kurse analysieren, wie gut die digitale Lehre bei den Studierenden ankommt, weitere 17 Prozent haben das zumindest für einzelne Kurse geplant. Gebühren will die Hälfte der Hochschulleitungen Studierenden für eine möglicherweise mangelhafte Lehre in der Corona-Krise jedoch nicht erstatten. 23 Prozent wollen über Kompensationen in einzelnen oder allen Fächern nachdenken.

Mit Blick auf das kommende Semester wollen 68 Prozent der Befragten am üblichen Zeitplan für die Zulassung der Studierenden festhalten und 67 Prozent dabei genauso strenge Kriterien anlegen wie vor der Pandemie. Zehn beziehungsweise neun Prozent wollten Anpassungen vornehmen.

Die Mehrheit der Hochschulleitungen (76 Prozent) rechnet laut Umfrage im kommenden Semester mit weniger internationalen Studierenden. Auch in den kommenden fünf Jahren sehen 64 Prozent der Befragten ein geringeres Interesse an einem Studium im Ausland. Besonders pessimistisch zeigten sich hier Ozeanien, Nordamerika und Südasien.

Die Unis in Ozeanien erwarteten den größten Einbruch bei den internationalen Studierenden: um 25 bis 75 Prozent im kommenden Semester. Andere Länder wie Sri Lanka erhofften sich durch die sinkende Mobilität, dass mehr ihrer Studierenden im Inland bleiben. Auch die Befragten in Europa rechneten mehrheitlich mit einem Rückgang der internationalen Studierenden, im Gegensatz zu den englischsprachigen Ländern machten sie sich deswegen jedoch keine Sorgen um finanzielle Einbrüche, wie "THE" berichtete.

Einige Hochschulen wollen internationale Studierende mit einem größeren Angebot an digitalen Kursen locken. Knapp die Hälfte der Hochschulen, die mit einem Rückgang internationaler Studierender rechnen, wollen ganze Studiengänge digital laufen lassen. Insgesamt gaben 55 Prozent der Hochschulen an, langfristig mehr komplett digitale Studiengänge einrichten zu wollen. Auch "blended learning" Formate würden weltweit zunehmen, glauben die meisten Hochschulleitungen. Viele Befragte sind jedoch der Meinung, dass Online-Interaktionen den persönlichen Austausch nicht komplett ersetzen können.

Briten und Amerikaner rechnen mit Uni-Pleiten

Forschung und Wissenschaft würden nach Ansicht der Befragten künftig insgesamt mehr Wertschätzung seitens der Regierungen erhalten, sagten 62 Prozent. Dass sich dies auch in höherer Forschungsförderung niederschlagen werde, glauben jedoch nur 44 Prozent der Hochschulleitungen. Besonders skeptisch zeigten sich laut "THE" die Hochschulen in Nordamerika.

42 Prozent der Befragten rechnen im Schnitt mit Bankrotten von Universitäten in ihrem Land. Regional geht dieser Wert stark auseinander: Während 81 Prozent der britischen und 87 Prozent der Hochschulleitungen in Nordamerika sowie einige in Ozeanien mit Bankrotten rechnen, fallen die Werte in den meisten übrigen Regionen deutlich geringer aus.

Mit Blick auf mögliche Stellenkürzungen fühlen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit befristeten Anstellungen besonders unsicher. Von den befragten Hochschulleitungen gaben 51 Prozent an, befristet Angestellte nicht ins Visier zu nehmen. 18 Prozent rechnen jedoch damit, Verträge nicht zu verlängern, und weitere 24 Prozent denken darüber nach, Verträge vorzeitig zu beenden. Die unbefristet Angestellten sind jedoch nur unwesentlich sicherer: 59 Prozent der Hochschulen weltweit wollen in den nächsten sechs Monaten keine Stellen abbauen, zwölf Prozent rechnen fest damit. In Ozeanien planen mit 44 Prozent der befragten Unis die meisten Hochschulen, Stellen abzubauen. Eine ähnliche Verteilung zeige sich bei den Gehaltseinbrüchen, berichtete "THE".

Die Corona-Pandemie könnte jedoch auch Vorteile für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben. Die Forschung, deren Schwerpunkte sich global hin zu pandemiebezogenen Themen verlagert haben, könnte insgesamt internationaler werden. 60 Prozent der Hochschulleitungen sagen in der Umfrage, sie erwarten mehr internationale Kooperationen in der Forschung. Zweifeln Hochschulen an einer verstärkten Internationalität, hat das politische Gründe: Großbritannien steht vor den Folgen des Brexit und die USA und China vor einem politischen Wettstreit, der Kooperationen erschwert.

ckr