Auf einer Hand sind bunte Plastisternchen in den Farben des Regenbogens zu sehen.
Alexander Grey/unsplash

Wissenschaftsfreiheit
Bayern verbietet Gendern an Schulen, Hochschulen und Behörden

Im Dezember hat Ministerpräsident Söder Schritte gegen Gendersprache angekündigt. Nun hat die Staatsregierung das Verbot beschlossen.

20.03.2024

In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden ist die Verwendung geschlechtersensibler Gendersprache ausdrücklich verboten. Das Kabinett beschloss am Dienstag in seiner Sitzung in München die dafür notwendige Änderung der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO). Die AGO verpflichtete die staatlichen Behörden zwar bereits jetzt, die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung im dienstlichen Schriftverkehr anzuwenden, diese Regelung sei nun aber nochmals "klarstellend ergänzt" worden, hieß es weiter. 

Laut Staatskanzleichef nicht mit offener Gesellschaft vereinbar 

"Für uns ist die klare Botschaft: Sprache muss klar und verständlich sein", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Es gehe mit dem Verbot aber auch darum, die "Diskursräume in einer liberalen Gesellschaft offenzuhalten". Eine ideologisch geprägte Sprache etwa beim Gendern habe dagegen eine exkludierende Wirkung. In bestimmten gesellschaftlichen Milieus gebe es zudem viele missionarische Nutzer bei der Verwendung der Sprache, was nicht mit einer offenen Gesellschaft vereinbar sei. 

"Für uns ist die klare Botschaft: Sprache muss klar und verständlich sein"
Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU)

Die amtliche Regelung der Rechtschreibung ist auch Grundlage des Unterrichts an den bayerischen Schulen. Daher werde das Kultusministerium die Schulen über die präzisierten Vorgaben zur Gendersprache informieren. Zudem sollen die Vorgaben für die Lernmittel angepasst werden. 

Nach der Regelung sind Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Gender-Gap, Genderstern, Doppelpunkt oder Mediopunkt ausdrücklich unzulässig. "Das gilt unabhängig von etwaigen künftigen Entscheidungen des Rates für deutsche Rechtschreibung zu der Frage der Verwendung von Sonderzeichen", teilte die Staatskanzlei weiter mit. 

Befürchtete weitergehende Verbote seien ausgeblieben 

Der Bayerische Lehrerverband erklärte, er begrüße die Gendervorgaben weitestgehend, hätte sich aber mehr Selbstbestimmung und entsprechende Freiheiten für die Schulen vor Ort gewünscht. Immerhin seien "die befürchteten weitergehenden Verbote ausgeblieben", sagte Verbandspräsidentin Simone Fleischmann. Wichtig sei, dass die Schulen frei im mündlichen Sprachgebrauch blieben und die Schülerinnen und Schüler nicht um ihre Noten fürchten müssten, "wenn sie neugierig sind, Fragen stellen und sich um eine geschlechtergerechte Sprache bemühen". Auch künftig seien die Lehrkräfte nicht verpflichtet, das Gendern von Texten mit Sonderzeichen als Fehler zu werten. 

Auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks teilte das Innenministerium mit, die Änderung der AGO trete am 1. April in Kraft. Für die Umsetzung – zum Beispiel die "Anpassung nicht konformer Webseiten" – seien die jeweiligen Stellen verantwortlich. Laut BR sein zudem eine Änderung des Hochschulinnovationsgesetzes geplant. Damit solle sichergestellt werden, dass Studierende keine Nachteile bekämen, wenn sie diese Art von Gendern mit Sonderzeichen im Wortinneren nicht machen würden. 

Die Arbeiterwohlfahrt Bayern bewertete den Beschluss als Widerspruch zum geplanten Aktionsplan Queer: "Wir finden, jede*r soll sich selbst für oder gegen Gendern entscheiden können", teilte der Verband schriftlich mit. Eine "vielfaltssensible Sprache" sei aber wichtig, damit sich alle Menschen angesprochen fühlten, und bekannt sei, dass Sprache Denkmuster präge und Stereotype aufbrechen könne. 

"Wir finden, jede*r soll sich selbst für oder gegen Gendern entscheiden können"
Arbeiterwohlfahrt Bayern

Laut dpa sei Sachsen das erste Bundesland gewesen, das Gendern per Erlass des Kultusministeriums verboten hätte. Auch in Sachsen-Anhalt (seit 2023) und Schleswig-Holstein (seit 2021) seien Gender-Sonderzeichen an Schulen verboten. Im Gegensatz zu Bayern gebe es aber in den beiden Bundesländern keine so klaren Vorschriften für Hochschulen. Die hessische Landesregierung plant laut ihres Koalitionsvertrags ebenfalls ein Genderverbot: "Wir werden festschreiben, dass in der öffentlichen Verwaltung sowie weiteren staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Rundfunk) auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird und eine Orientierung am Rat für deutsche Rechtschreibung erfolgt. Auf die Verwendung der sog. Gendersprache werden wir daher zukünftig landesweit verzichten", heißt es dort. 

Allerdings plane die hessische Landesregierung gemäß einer aktuellen msn-Meldung kein mit Sanktionen bewehrtes Gender-Verbot. Der neue Minister für Wissenschaft und Kunst, Timon Gremmels (SPD), hätte im Landtag eine entsprechende "Klarstellung" angekündigt und wolle sich "in aller Ruhe und Gelassenheit" mit dem Thema befassen. 

In der alltäglichen Praxis könnte Vorgabe teils ignoriert werden 

In der Praxis müssen sich kommunale Behörden aber nicht an die neuen Vorgaben halten, wie auch Herrmann einräumte. Er gehe aber von einer Signalwirkung aus, wenn der Freistaat hier derart vorangehe. Welche Konsequenzen etwa Lehrkräften drohen, wenn sie sich nicht an die Regelungen halten, erklärte er nicht. Auf Nachfrage sagte Herrmann, das Verbot sei nun als Standard festgeschrieben. Ob es in fünf oder zehn Jahren eine andere Regelung brauche, werde man sehen. Man könne auch ohne Sonderzeichen geschlechtergerecht schreiben. 

"Klar ist, dass Lehrkräfte sich daran halten müssen", betonte Herrmann. Im gesamten dienstlichen Schriftverkehr, also auch bei Schreiben an Eltern, der kompletten internen Kommunikation und im Unterricht. Das sei eine klare und konsequente Linie, "die wir mit Augenmaß verfolgen". Besonders wichtig sei es der Staatsregierung, dass niemand benachteiligt werde, wenn er oder sie auf geschlechtersensible Sprache verzichte. 

Die FAZ berichtet in Bezug auf das in Hessen geplante Genderverbot von der Einschätzung des Rechtswissenschaftlers Josef Franz Lindner. Gemäß dem Professor für Öffentliches Recht, Medizinrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Augsburg verstoße ein Genderverbot gegen die in der Verfassung verankerte Wissenschaftsfreiheit. Studierenden könnten auch Persönlichkeitsrechte und die allgemeine Handlungsfreiheit geltend machen, während die Universitätsverwaltung jedoch an die Vorgaben gebunden sei. 

Hintergrund: Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung 

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat die Verwendung von Sonderzeichen im Wortinneren zuletzt mit Beschluss vom 15. Dezember 2023 nicht empfohlen und darauf hingewiesen, dass es sich um Eingriffe in Wortbildung, Grammatik und Orthografie handelt, die die Verständlichkeit von Texten beeinträchtigen können. 

"Inwieweit den Hochschulen das Recht zusteht, von der amtlichen deutschen Rechtschreibung abzuweichen, ist strittig"
Rat für deutsche Rechtschreibung

Der Rat wies in seiner Pressemitteilung darauf hin, dass das Amtliche Regelwerk für Schulen sowie für die öffentliche Verwaltung einschließlich der Rechtspflege gelte. In den höheren Schulstufen könnten die Entwicklungen der geschriebenen Sprache der letzten Jahre mit den Sonderzeichen im Wortinnern und zwischen Wörtern zur Kennzeichnung einer geschlechtsübergreifenden Schreibintention thematisiert und reflektiert werden. Vorgaben für die Bewertungspraxis würden in der Zuständigkeit der Schulpolitik liegen und würden nicht dem Rat für deutsche Rechtschreibung obliegen. "Inwieweit den Hochschulen das Recht zusteht, von der amtlichen deutschen Rechtschreibung abzuweichen, ist strittig", heißt es dort weiter.

dpa/cva