Ein Schild mit dem Schriftzug "Open"
mauritius images/Ingrid Amenda

Publikationswesen
Europäische Initiative startet neuen Vorstoß für Open Access

Die "Coalition S" will Open Access zum Standard bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen machen. Das soll den Druck auf Verlage erhöhen.

11.06.2019

Der Europäische Zusammenschluss "Coalition S" hat einen überarbeiteten Entwurf seines "PlanS" veröffentlicht. Förderer, die Mitglied der Initiative sind, wollen künftig nur noch Artikel in Zeitschriften finanzieren, die eine Publikation über Open Access anbieten. Das Papier gleicht im Kern einem Vorschlag von Herbst vergangenen Jahres. Unterstützer sollen jedoch mehr Zeit und Flexibilität in der Umsetzung bekommen.

Bis Januar 2021 sollen die Pläne der Initiative greifen. Zunächst war 2020 vorgesehen. Zusätzlich zu reinen Open-Access-Veröffentlichungen soll nach dem neuen Entwurf auch das Subskriptionsmodell weiter möglich sein. Dabei schließen Wissenschaftseinrichtungen Abonnements oder Lizenzen für Zeitschriften mit Verlagen ab.

Bedingung des "Plan S" für diesen Publikationsweg sei, dass Forschende ihre Arbeiten ohne Embargo-Frist auch auf anderen Plattformen veröffentlichen können. Zusätzliche Gebühren für die Open-Access-Veröffentlichung wollen die Förderer jedoch nicht übernehmen. Damit würden im Zweifel Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf den Kosten sitzen bleiben.

Der Entwurf sieht außerdem eine Übergangsphase vor, in der für weitere drei Jahre sogenannte "Publish and Read"-Vereinbarungen akzeptiert würden. Dabei wird mit Verlagen eine Gesamtsumme ausgehandelt für die Subskription einer Zeitschrift und die jeweils unmittelbare Open-Access-Veröffentlichung eines Artikels. Ein Beispiel ist der zuletzt ausgehandelte Vertrag des Deal-Projekts mit dem Wiley-Verlag.

Open-Access-Debatte stärker mitgestalten

Ein Mitglied der Deal-Projektgruppe, Dr. Ralf Schimmer, hofft darauf, dass eine nationale Initiative wie das Deal-Projekt zusammen mit einem europäischen Vorstoß wie dem "Plan S" Einfluss auf die Kostenmodelle der großen Verlage haben könne. "Sie erhöhen in einer Art Zangenbewegung den Druck auf die Verlage von zwei Seiten gleichzeitig", sagte der Wissenschaftler von der Max Planck Digital Library gegenüber Forschung & Lehre.

Die Pläne der "Coalition S" gehen dabei weiter, weil sie "Read and Publish"-Vereinbarungen nur übergangsweise erlauben. Daran wurde in der Vergangenheit kritisiert, dass es nicht reiche, wenn Verlage auf Höhe der bisherigen Subskriptionsgebühren zusätzlich eine Veröffentlichung über Open Access anböten. Die Kosten müssten weiter gedrückt werden.

Derzeit sind 16 nationale Förderer Mitglied der "Coalition S", darunter die zentralen Wissenschaftsorganisationen aus Österreich, Frankreich und den Niederlanden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist allerdings nicht dabei. Sie betonte auf Nachfrage erneut, dass sie das Ziel der Initiative zwar grundsätzlich unterstütze, Open Access aber nicht zur Regel machen wolle.

Dr. Christian Hof vom Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie an der TU München sieht diese Haltung kritisch. Er beschäftigt sich als Mitglied der Jungen Akademie unter anderem mit Fragen zu Open Access. "Natürlich hat jeder gerne die Freiheit zu entscheiden, wie er oder sie einen Artikel publiziert", sagte er. "Aber wir [Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler] sollten uns bewusst machen, dass die Öffentlichkeit für uns und viele unserer Studien zahlt – und daher sollte sie auch Zugriff auf die Ergebnisse haben, wenn sie das will."

"Die Wissenschaft sollte das Publikationswesen wieder stärker selbst in die Hand nehmen" Christian Hof

Vor allem junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten die Debatte über Open Access seiner Meinung nach stärker mitgestalten. Dazu gehöre auch, sich bewusst zu entscheiden, in welchen Zeitschriften man publiziert und in welchen nicht. Er überlege sich inzwischen etwa "sehr genau", ob er in Zeitschriften von Elsevier publiziere oder für den Verlag Gutachten erstelle.

"Wir sollten uns fragen, welches Spiel wir im Streben nach möglichst vielen Artikeln in Zeitschriften mit einem möglichst hohen Impact-Faktor eigentlich mitspielen", sagte er. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hätten die Stärke, sich den Verlagen gegenüberzustellen. "Wir tragen einen großen Teil des Publikationswesens – wir sind diejenigen, die Artikel schreiben und Gutachten erstellen", betonte er. Die Wissenschaft sollte sich überlegen, das Publikationswesen wieder stärker selbst in die Hand zu nehmen – etwa, indem Fachgesellschaften wieder mehr Zeitschriften selber herausbringen.

Die mit dem "Plan S" verbundene Sorge lautet unter anderem, dass Forschende nicht mehr in renommierten Zeitschriften publizieren könnten, die Auflagen der Open-Access-Initiative nicht erfüllten. Hof hält das teils für ein vorgeschobenes Argument. "Ich bin der Meinung, dass man immer eine interessante Zeitschrift findet, um den eigenen Artikel zu publizieren", sagte er. Mittlerweile hätten einige reine Open-Access-Zeitschriften sogar bereits einen vergleichbar guten Ruf – in seinem Fachbereich zähle dazu etwa "Plos Biology".

kas