Das Bild zeigt europäische Flaggen vor dem Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel
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Open Access soll verpflichtend werden

Förderorganisationen aus elf EU-Staaten wollen Veröffentlichungen leichter zugänglich machen. Verlage sollen unter Druck gesetzt werden.

Von Katrin Schmermund 07.09.2018

Die nationalen Förderorganisationen aus elf EU-Mitgliedstaaten wollen Open Access zur Regel machen. Ihr "Plan S" soll die Antwort auf die "zunehmende Notwendigkeit für den unmittelbaren und universalen Zugriff auf Forschungsdaten" sein, heißt es in einer Mitteilung der Europäischen Kommission. Ab dem 1. Januar 2020 soll der Plan umgesetzt werden.

Zu den Unterzeichnern gehören Förderer aus Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und acht weiteren EU-Staaten. Deutschland ist nicht darunter. Zusammen investieren sie laut Mitteilung jährlich rund 7,6 Milliarden Euro in Forschung.

Der Kopf der Koalition ("cOAlition S") ist Robert-Jan Smits, Berater der Europäischen Kommission für Open Access und Innovation. Er hofft, Druck auf die wenigen einflussreichen Gatekeeper in der wissenschaftlichen Verlagswirtschaft ausüben zu können, darunter Elsevier, Springer und Wiley. Sie lenkten den freien Fluss von Informationen durch ihre hohen Subskriptions-Kosten.

Die unabhängige Nachrichten-Redaktion der Wissenschaftszeitschrift "Nature" schreibt von einem radikalen Vorstoß, der die Veröffentlichungspraxis in der Wissenschaft in gerade einmal zwei Jahren komplett auf den Kopf stellen könnte.

"No science should be locked behind paywalls." cOAlition S

Ausschluss von renommierten Wissenschaftszeitschriften

Europa brauche einen "radikalen Stoß", um die Entwicklung von Open Access voranzutreiben, sagte Smits. Man könne das "S" in ihrem Plan daher unter anderem auch mit den englischen Worten "shock" oder "speed" übersetzen, zitiert ihn "Nature". Weitere Optionen seien "science" und "solution".

Die Nutzung von Open Access schreite laut Smits zu langsam voran. Man stehe gerade einmal bei einer Quote von 20 Prozent. Es sei unmöglich, bei dem aktuellen Tempo das Ziel der 28 EU-Forschungsminister zu erreichen, bis 2020 alle öffentlich finanzierten Forschungsprojekte frei zugänglich zu machen.

EU-Forschungskommissar Carlos Moedas begrüßte die Initiative und ermutigte andere nationale Forschungsorganisationen, dem Vorstoß zu folgen. Smits erwartet, dass die EU-Behörde für künftige Förderungen über den Europäischen Forschungsrat und weitere Töpfe Vorgaben nach dem "Plan S" einführen wird.

Der "Plan S" sieht vor, dass Forschungsergebnisse unmittelbar – und nicht wie aktuell üblich nach sechs oder zwölf Monaten – online zugänglich sein müssen. Die Urheberrechte sollen bei den Autoren liegen. Diese sollen von den Förderern Geld erhalten, um Open Access publizieren zu können.

Die Förderorganisationen sollen allerdings Einfluss auf den Ort der Veröffentlichung haben. Geförderte würden laut "Nature" von aktuell rund 85 Prozent der Zeitschriften ausgeschlossen, weil diese keine unmittelbare Veröffentlichung über Open Access vorsehen – darunter viele mit einem hohen Impact-Faktor wie "Nature", "The Lancet" oder "Science".

Auch sei möglich, dass die Förderer eine Veröffentlichung ablehnten, weil die Forderungen eines Verlags zu hoch seien. In Zeitschriften, die Beiträge nur nach einer Extra-Zahlung unmittelbar zugänglich machten, dürften Wissenschaftler bei Förderern unter dem "Plan S" nur in einer Übergangsphase publizieren.



Deutsche Forschungsgemeinschaft zurückhaltend

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft teilte mit, sie begrüße das koordinierte Zusammenwirken diverser Förderorganisationen zur Realisierung eines Open-Access-Ansatzes. Sie selbst überarbeite ihre Open-Access-Richtlinie dahingehend, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler künftig dazu aufgefordert würden, einen offenen Zugang zu geförderten Forschungsvorhaben zu ermöglichen.

Dabei könnten sie sich sowohl für den "Goldenen Weg" (sofortige Open-Access-Veröffentlichung) oder den "Grünen Weg" (Veröffentlichung über Open Access zusätzlich zur Veröffentlichung nach dem Subskriptionsmodell) entscheiden. So weit, eine Open-Access-Veröffentlichung zur Pflicht zu machen, will die DFG aber nicht gehen.

Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) teilte mit, er unterstütze den Plan, könne ihn aber "zum jetzigen Zeitpunkt" nicht unterzeichnen. Ähnlich der DFG sehe die Open-Access-Politik 2020 des SNF vor, dass Forschende auch über den "Grünen Weg" publizieren könnten.

"Wir werden nun die Schweizer Hochschulen, die Akademien der Wissenschaften und andere Partner konsultieren und zu einem späteren Zeitpunkt über eine Unterzeichnung entscheiden", sagt Matthias Egger, Präsident des SNF.

Ein Sprecher des Verlags "Springer Nature" zeigte sich wenig begeistert. Er kritisierte, dass der Plan zu einem Flickenwerk in der Veröffentlichungspraxis führen werde und der Ausschluss von Zeitschriften, die eine unmittelbare Veröffentlichung über Open Access nur gegen Aufpreis ermöglichten, einen Einschnitt in die Wissenschaftsfreiheit bedeute. "Elsevier" nahm laut Medienberichten keine Stellung. Der Verlag schloss sich lediglich der kritischen Haltung eines internationalen Zusammenschlusses an, die sich ebenfalls auf einen Einschnitt in die Wissenschaftsfreiheit beriefen.

Smits will laut Bericht von "Nature" in weiteren Ländern für seine Pläne werben, darunter auch in den USA. Ihm sei aber wichtig, den Kampf gegen die horrenden Subskriptions-Kosten von Verlagen auch ohne diesen starken Player im Veröffentlichungswesen anzugehen.