Nordrhein-Westfalen
Experten warnen vor Schwächen bei der Landarzt-Quote
Die geplante Landarzt-Quote sorgt in Nordrhein-Westfalen für Diskussionen. In Stellungnahmen an den Landtag äußerten sich vor allem die Ärztekammer Nordrhein und der Städtetag kritisch zur Wirksamkeit der Maßnahme. Die Ausschüsse für Gesundheit und für Wissenschaft hören an diesem Mittwoch Experten zum geplanten Landarztgesetz der schwarz-gelben Landesregierung an.
Die Ärztekammer Nordrhein rechnet damit, dass die "kleinteilige Verteilung" von Hausärzten das Versorgungsproblem nicht lösen wird, solange die absolute Zahl der Mediziner angesichts des wachsenden Bedarfs der alternden Gesellschaft zu gering bleibe. Vom Beginn des Studiums bis zum Ende der Facharztqualifikation müssten 11,5 Jahre kalkuliert werden. Kurzfristige Entlastungen seien daher unmöglich. Rascher könnte aus ihrer Sicht ein Ausbau von Telemedizin und Online-Sprechstunden wirken.
Erhebliche Zweifel äußert die Kammer außerdem an den Selektionskriterien für Medizin-Studierende nach dem Landarztgesetz. Wer sich vertraglich verpflichtet, zehn Jahre als Hausarzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten, soll sich auf einen der ersten 168 Landarzt-Studienplätze bewerben können – unabhängig vom bislang üblichen hohen Numerus clausus.
Künftig müsse bei der Auswahl mehr Wert gelegt werden auf Empathie, Sozialkompetenz und persönliche Eignung. Dafür gebe es aber bislang "keine ausreichend validen Auswahlverfahren", bemängelte die Kammer. "Eine Eignungsfeststellung speziell für die Tätigkeit als Hausarzt in unterversorgten Regionen halten wir für schwer darstellbar." Auch ein Rechtsanwalt äußerte massive Bedenken wegen solcher Unschärfen im Gesetzentwurf.
Medizinische Versorgung nicht nur in ländlichen Regionen problematisch
Der Städtetag betont in seiner Stellungnahme, das Problem dürfe nicht auf ländliche Regionen reduziert werden. Auch in Stadtvierteln mit vielen sozial benachteiligten Patienten und wenigen Privatversicherten gebe es zunehmend Engpässe. Dies betreffe etwa Stadtteile in Bielefeld, Duisburg oder Viersen.
Aktuell herrsche auch Mangel in der kinderärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung und in weiteren Facharztdisziplinen zeichneten sich Engpässe ab. NRW müsse daher mehr Medizinstudienplätze schaffen – nicht nur für Hausärzte auf dem Land.
Rechtlich zulässig sei das Modell der Landesregierung aber, urteilte Professor Stefan Huster von der Juristischen Fakultät der Universität Bochum. Die Ausgestaltung einer Landarzt-Quote unterliege allerdings engen verfassungsrechtlichen Grenzen. "Eine Landeskinderregelung verstieße gegen die verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebote", stellte er fest. Auch die Berücksichtigung verwandter Ausbildungen und Berufstätigkeiten oder ehrenamtlichen Engagements werfe bei der Selektion Fragen zur Vergleichbarkeit auf.
Für verhältnismäßig hält der Rechtsexperte hingegen die vorgesehene Vertragsstrafe von 250.000 Euro für den Fall, dass ein Absolvent sich nicht an die Verpflichtung hält, zehn Jahre als Hausarzt in ländlichen Regionen tätig zu sein. Der Hausärzteverband Westfalen-Lippe schlägt hingegen vor, die Strafe zu staffeln, um den Nachwuchs nicht abzuschrecken. Problematisch sei, dass bessergestellte Studierende sich am Ende "freikaufen" und doch einen anderen Weg einschlagen könnten.
NRW will eine Landarztquote zum Wintersemester 2019/20 als erstes Bundesland einführen – zunächst für knapp acht Prozent aller Humanmedizin-Studienplätze. Auch in Bayern ist eine Landarztquote geplant, Niedersachsen will abwarten.
dpa/kas