Nahaufnahme eines Notaus-Schalters
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Energiekrise
Hochschulen bereiten sich auf Energieengpass vor

Hochschulen bundesweit bereiten Notfallpläne für den Winter vor. Bei einem Energieengpass könnten Forschung und Lehre eingeschränkt werden.

20.07.2022

Die Hochschulen in Thüringen arbeiten an konkreten Notfallplänen, um auf einen möglichen Gasengpass im Herbst und Winter vorbereitet zu sein. Gleichzeitig würde bereits jetzt versucht, den Energieverbrauch zu senken, teilte das Thüringer Hochschulministerium am Dienstag in Erfurt mit. Das habe eine Befragung der zehn staatlichen Universitäten und Fachhochschulen, des Universitätsklinikum Jena und des Studierendenwerks ergeben.

Eine Einschränkung von Lehre und Forschung vom Wintersemester an könne nicht mehr ausgeschlossen werden, erklärte Wissenschaftsstaatssekretär Carsten Feller. "Wir hoffen aktuell das Beste, müssen uns aber vorsorglich auf Engpässe in der Energieversorgung einstellen."

Zur Energieeinsparung würden auch technische Anlagen überprüft und verändert – wie die Umrüstung der Beleuchtung auf LED, die Nutzung von Thermostaten und Dämmerungsschaltern bis hin zu begrenzten Öffnungszeiten für zentrale Einrichtungen wie Hochschul-Cafeteria, Bibliotheken oder Laboren. Einige Hochschulen könnten auf effiziente Gebäudeleittechniken zurückgreifen. In anderen Fällen seien energetische Sanierungen geplant oder liefen bereits.

Die Stufenpläne für den Notfall bei Gasmangel sähen unter anderem die Absenkung von Raumtemperaturen, eingeschränkte Heizzeiten, die Abschaltung von Beleuchtungen oder die Stilllegung von nicht zwingend benötigten Gebäuden oder Gebäudeteilen vor. Der Anteil der Telearbeit oder Online-Lehre würde dann wieder deutlich ausgeweitet. "Sämtliche Notfallpläne werden in der jetzt beginnenden vorlesungsfreien Zeit weiter konkretisiert und liegen dann rechtzeitig vor dem nächsten Semester und dem Beginn der neuen Heizperiode vor", äußerte der Staatssekretär.

Hochschulen bundesweit wollen Energie sparen

Neben Thüringen und Baden-Württemberg, wo die Landesrektoren bereits vergangene Woche Alarm geschlagen haben, finden auch in vielen anderen Bundesländern aktuell Gespräche zur Energieversorgung zwischen den Ministerien und den Landesrektorenkonferenzen oder Hochschulen statt, teilte die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) auf Anfrage von "Forschung & Lehre" mit. Die Hochschulen könnten die Mehrkosten, die durch die erheblich gestiegenen Energiepreise auf sie zukommen, nicht finanzieren, auch nicht aus Rücklagen. Daher suchten sie derzeit gemeinsam mit Bund und Ländern nach "tragfähigen Lösungen".

Viele Hochschulen informierten derzeit ihre Mitarbeitenden und Studierenden über die bevorstehenden Herausforderungen und individuelle Möglichkeiten, Energie zu sparen, etwa beim Heizen oder Kühlen der Büros. Ein Beispiel dafür sei die Infoseite der Ruhr-Universität Bochum.

Die Hochschulen bräuchten Energie jedoch nicht nur zum Heizen oder Kühlen der Gebäude, sondern auch für den Betrieb zentraler Infrastrukturen, insbesondere in der IT für Rechenzentren und der Forschung für Labore und Großgeräte. Diese könnten im Falle eines Energieenpasses nicht abgeschaltet werden, aus Sicherheitsgründen sowie um Versuchsreihen zu erhalten und Versuchstiere zu versorgen, so die HRK.

Wo die Hochschulen falls nötig stattdessen Energie einsparen werden, lasse sich nicht pauschal beantworten, die Hochschulen seien jedoch bestrebt, bei der "gemeinsamen Bewältigung der Energiekrise Forschung und Lehre gleichermaßen zu berücksichtigen". Eine Abkehr von der Präsenzlehre sei nicht geplant, sofern es die Pandemie zulasse. Erneute Digitalsemester sollen laut HRK "nach Möglichkeit vermieden werden". Auch in der Forschung werde geprüft, wo vorübergehend Energie gespart werden könne. In bestimmten Forschungsbereichen hätte eine Einschränkung der Energieversorgung aber irreversible Folgen, zum Beispiel der Biomedizin.

"Studierende nicht vergessen"

"Die Hochschulen bereiten für einen möglichen Gasnotfall im Winter schon jetzt energiesparende Maßnahmen vor, die auch spürbare Einschränkungen in Betracht ziehen", bestätigte HRK-Präsident Professor Peter-André Alt am Donnerstag in einer gemeinsamen Stellungnahme mit dem Deutschen Studentenwerk (DSW). "Dabei müssen langfristige, oft mit Qualifikationszielen verbundene Forschungsprozesse und die akademische Lehre in Präsenz so weit wie möglich gewährleistet bleiben", betonte Alt. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass ein Rückfall in vollständige Distanzlehre aus didaktischen und psycho-sozialen Gründen unbedingt zu vermeiden sei.

Bund und Länder müssten dafür sorgen, dass der Hochschulbetrieb und die sozialen Angebote der Studierendenwerke – insbesondere Mensen, Kitas und Wohnheime – im kommenden Wintersemester auch bei einer möglichen Energie-Knappheit grundsätzlich aufrechterhalten werden können, forderten HRK und DSW. Dafür sei finanzielle Unterstützung erforderlich. Zudem dürfe man die Studierenden bei möglichen staatlichen Miethilfen gegen die Inflation nicht vergessen, mahnte DSW-Präsident Professor Rolf-Dieter Postlep.

aktualisiert am 21.07.2022 um 14.15 Uhr, zuerst veröffentlicht am 20.07.2022

ckr/dpa