Steinkohle liegt in einem Kohlefaden am Mittellandkanal in Sichtweite von Windrädern und wird gefördert.
picture alliance/dpa | Mia Bucher

Nachhaltige Energieerzeugung
Folgen des Ukraine-Kriegs für nachhaltige Energien

Die deutsche Abhängigkeit vom russischen Gas erscheint durch den Krieg als Gefahr. Erneuerbare Energien erhalten einen Schub, aber nicht nur diese.

12.04.2022

Der russische Angriff auf die Ukraine hat in Deutschland ein Umdenken bei der Energieversorgung bewirkt: Auch wenn die Bundesregierung einen kompletten Importstopp für Öl, Gas und Kohle aus Russland ablehnt, versucht sie doch die Abhängigkeit von Deutschlands wichtigstem Energielieferanten zu reduzieren, indem sie den Bau von deutschen Windrädern und Solarpanelen mit aller Macht vorantreibt.

Die Energieökonomin Professorin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sieht diesen Umbruch positiv. "Klimafreundliche Formen der Energieerzeugung werden durch die jetzige Krise einen Aufwind erleben, einen Boom", sagt sie der Deutschen Presse-Agentur. "Wir stehen vor dem Beginn des Endes des fossilen Zeitalters."

Der mittelfristig absehbare Verzicht auf russisches Gas dürfte allerdings dazu führen, dass zumindest vorübergehend mehr klimaschädliche Kohle verbrannt wird, die leichter woanders zu besorgen ist. Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Professor Ottmar Edenhofer, warnt daher vor der Rückkehr zu fossilen Brennstoffen. "Wenn wir am Markt nicht umsteuern, dann wird auch wieder mehr in Kohlekraftwerke investiert, was dann hohe Emissionen über Jahrzehnte festlegt." Es werde immer wieder Phasen geben, in denen das Gas knapp werde und der Preis steige. "Klimapolitik wird aber nur gelingen, wenn das nicht jedes Mal eine Rückkehr zur Kohle auslöst."

Der Schaden der Kohle für das Klima sei enorm, sagt Edenhofer. "Allein die Emissionen der jetzt im Betrieb, im Bau und in Planung befindlichen Kohlekraftwerke über ihre Lebenszeit hinweg belaufen sich auf knapp 300 Gigatonnen Kohlendioxid." Dies entspreche fast dem Budget, das die Welt insgesamt noch verbrauchen könne, wenn sie die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen will im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter.

Kohle in anderen Weltregionen

Die "Dominanz der Kohle" sei bereits über das vergangene Jahrzehnt zu beobachten gewesen, beklagt Edenhofer. "Die Gaspreise steigen schneller als die Kohlepreise. Das macht die Kohle vor allem im Stromsektor wieder rentabler, etwa in China, Indien und den kleineren asiatischen Ländern kommt die Kohle zurück." Das bedeute zunächst, dass Kohlekraftwerke stärker genutzt würden.

"Wir müssen den Märkten signalisieren, dass der Ausstieg aus den fossilen Energien ernst gemeint ist", sagt Edenhofer. In Europa werde der Emissionshandel helfen, bei dem Unternehmen Rechte zum Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase vorweisen und bei Bedarf erwerben müssen. Ein Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen sei auch in anderen Weltregionen nötig. "Den kann man zum Beispiel zur Bedingung machen, wenn die internationalen Entwicklungsbanken Gelder vergeben, etwa die Asiatische Entwicklungsbank", schlägt der Klimaforscher vor. "Investitionen in den Klimaschutz sind kein Luxus, das ist eine völlige Fehlwahrnehmung." Sie seien vielmehr unverzichtbar.

Laut einer Analyse des Forschungszentrums Jülich vom 16. März liefert Russland jährlich etwa 495 Terawattstunden Erdgas an Deutschland. Nur etwa ein Drittel der russischen Erdgasimporte könnten kurzfristig eingespart werden. Ein russisches Gasembargo würde zu einer Versorgungslücke in Deutschland von 336 Terawattstunden führen, könne aber auf europäischer Ebene durch deutliche Nachfragereduktionen und den Import von Flüssigerdgas kompensiert werden. Ohne diese Maßnahmen wären die Gasspeicher der EU-Mitgliedsstaaten binnen weniger Wochen leer.

dpa/cpy