Klimawandel
Klimarat alarmiert über Zustand der Meere
Der Weltklimarat IPCC hat am heutigen Mittwoch in Monaco einen Sonderbericht zu den Auswirkungen der Erderwärmung auf Ozeane und Eismassen veröffentlicht. In der zehnseitigen Zusammenfassung für Politiker und Entscheidungsträger fordert der Klimarat ein sofortiges und ambitioniertes Handeln. Die Treibhausgase müssten drastisch reduziert, Ökosysteme geschützt und mit den natürlichen Ressourcen behutsam umgegangen werden.
Die Weltwetterorganisation hatte bereits im März berichtet, dass der Meeresspiegel 2018 überdurchschnittlich stark angestiegen sei. Auch der IPCC-Bericht warnt nun vor dem schneller und höher als bislang gedacht steigenden Meeresspiegel. Die Geschwindigkeit des Anstiegs sei mit 3,6 Millimetern pro Jahr derzeit doppelt so hoch wie im Schnitt des 20. Jahrhunderts und nehme weiter zu. Bei weiterhin hohen Emissionen könnte der Meeresspiegel im Jahr 2100 rund 1,1 Meter höher liegen.
In tiefliegenden Küsten- und Inselregionen verursachen schmelzende Eismassen demnach ab 2050 jährliche extreme Fluten. Durch den Anstieg des Meeresspiegels infolge des schmelzenden Eises könnten laut aktuellem Stand bis zu 680 Millionen Küsten- und 65 Millionen Inselbewohner ihre Heimat verlieren. Bis 2050 könnten es gar eine Milliarde Menschen sein. Dabei treffe es vor allem die Ärmsten und Schwächsten, die am wenigsten Reaktionsmöglichkeiten hätten. "Als Gesellschaft tragen wir die Verantwortung, wie die Folgen des Klimawandels verteilt werden", sagte die Autorin Debra Roberts.
Schwindende Gletscher führten zudem zu zeitweise hohem, dann fehlendem Schmelzwasser. Dieses fehle dann den 670 Millionen Bewohnern der Bergregionen in der Landwirtschaft. Bis 2100 könnten kleinere Gletscher, wie etwa in den Alpen, rund 80 Prozent ihrer Eismasse verlieren, wenn die Emissionen nicht gesenkt würden.
Übersäuerte Meere und marine Hitzewellen
Der Klimawandel verändert laut Bericht Meeresströmungen, versauert die Meere und gefährdet damit marine Ökosysteme. Das CO2 aus der Atmosphäre löst sich teilweise im Meer, wobei Kohlensäure entsteht. Auch im Meer gibt es zudem Hitzewellen. Hitze und Säure verursachen im Stoffwechsel vieler mariner Lebewesen Stress. Bei mobilen Meeresbewohnern führen diese Veränderungen dem Bericht zufolge zu Migrationsbewegungen. Aber nicht alle Lebewesen im Ozean halten bei ihrer Anpassung mit der Geschwindigkeit des Klimawandels mit. In Küstenregionen, die stark vom Fischfang leben, gefährde das auch die Nahrungssicherheit.
Das globale Wetterphänomen "El Niño" beispielsweise, das eine warme Wasserströmung vor der Küste Perus verursacht, führe oft zu Überschwemmungen in Amerika, Trockenheit in Südostasien und Massensterben von Meerestieren und Korallen. Wenn sich die Erde um zwei Grad erwärmt, sagt der IPCC-Bericht vorher, dass diese Ereignisse doppelt so häufig werden. 99 Prozent der Korallen seien dann wahrscheinlich verloren.
Generell werden dem Klimarat zufolge extreme Wetterergeinisse in Zukunft häufiger in Serie oder in Kaskaden auftreten und sich dabei gegenseitig zeitlich überlagern. Die Regenerationszeit für Mensch und Natur werde dadurch immer kürzer.
Relativ neu sei die Erkenntnis des Berichts, dass bei weiterhin hohen Emissionen die Permafrostböden rund 70 Prozent ihrer Fläche bis zum Jahr 2100 verlieren könnten. Bei einer Beschränkung der Erderwärmung auf unter 2 Grad seien es rund 25 Prozent. Die Permafrostböden gelten als eines der wichtigsten Kippelemente: Wenn sie tauen, werden Treibhausgase in Mengen freigesetzt, die die Erderwärmung massiv beschleunigen und unumkehrbar gestalten würden.
"Der Punkt, ab dem eine Entwicklung unumkehrbar ist, ist immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Bei einigen Klimafolgen sind die Prognosen aber bereits sehr gut wissenschaftlich belegt", erklärt Hans-Otto Pörtner, einer der Autoren des Berichts. Dazu zählten beispielsweise der Verlust der Korallen und des Eises in der Arktis. "Der Klimawandel ist bereits irreversibel", sagte eine weitere Autorin, Valérie Masson-Delmotte, "zumindest hinsichtlich des arktischen Eises". Durch den Verlust der Spiegelwirkung des Eises und Schnees werde sich die Arktis künftig noch schneller erwärmen.
Dritte Warnung in zwölf Monaten
104 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 36 Ländern waren an dem IPCC-Bericht beteiligt. Sie haben zwei Jahre lang rund 7.000 aktuelle Studien zu dem Thema ausgewertet und zusammengefasst. Seit Freitag haben sie in Monaco mit Vertretern der 195 Mitgliedsstaaten über den genauen Wortlaut des Berichts verhandelt. Der Weltklimarat IPCC ist eine Institution der Vereinten Nationen.
Bereits im August hatte der Klimarat einen Sonderbericht zum Zustand der Erde veröffentlicht, in dem er vor den Folgen des Klimawandels für die Landnutzung gewarnt hatte. Zusammen mit dem Sonderbericht vom Oktober 2018 über das weltweite Ziel, die Erderwämung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist der aktuelle Bericht nun der dritte innerhalb eines Jahres.
"Gemeinsam stellen sie die Grundlage für unser zukünftiges Handeln", so der IPCC-Sekretär Abdalah Mokssit bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts. Angesichts des UN-Klimagipfels in New York meint IPCC-Autorin Debra Roberts: "Der Bericht kommt zur richtigen Zeit für politische Konsequenzen."
ckr