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Zensur aus China
Professoren trennen sich von Springer Nature

Die Herausgeber einer Schriftenreihe beenden die Zusammenarbeit mit Springer Nature. Sie kritisieren Einschnitte in die Wissenschaftsfreiheit.

Von Katrin Schmermund 04.10.2018

Die Herausgeber der Buchreihe "Transcultural Research" haben ihre Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsverlag Springer Nature beendet. Damit üben die Professorinnen und Professoren Kritik an der Veröffentlichungspraxis des Verlags.

Springer Nature hatte laut Informationen der "Financial Times" rund 1.000 Beiträge aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen gelöscht. Darunter seien auch Beiträge aus "Transcultural Research", die sich unter anderem mit der Kulturrevolution und den blutig niedergeschlagenen Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens auseinandersetzten, dem "Tian’anmen-Massaker".

Es gehe darum, ein Zeichen gegen Einschnitte in die Wissenschaftsfreiheit zu setzen, sagte Professor Rudolf G. Wagner, einer der Unterzeichner des Schreibens an Springer Nature und ehemaliger Herausgeber der Buchreihe gegenüber Forschung & Lehre. "Wir sehen die Gefahr, dass sich dieses Prinzip schnell verbreitet: Die Machthaber anderer Länder sehen, wie leicht es sein kann, unliebsame Forschung zu unterbinden und gehen genauso vor."

Unterschrieben haben die Erklärung an Springer Nature neben ihm die Professoren und derzeitigen Herausgeber Madeleine Herren-Oesch, Thomas Maissen, Josef Maran, Axel Michaels und Barbara Mittler.

Autoren wurden nicht informiert

Wagner ist einer der Autoren, deren Beiträge im vergangenen Jahr kurzzeitig auf dem Portal des Universitätsverlags Cambridge Press gesperrt worden seien. Der Verlag habe ihn jedoch direkt kontaktiert. Entsprechend schnell wurde Kritik an dem Einlenken von Cambridge University Press laut und der Zugang wurde wieder freigeschaltet.

Den Ärger habe sich Springer Nature wohl sparen wollen, vermutet Wagner. Autorinnen und Autoren seien von Springer Nature nicht über die Löschung der Artikel informiert worden. Sie hätten darüber aus Medienberichten erfahren.

Künftig wird "Transcultural Research" über den Universitätsverlag der Universität Heidelberg, Heidelberg University Publisher (heiUP), publiziert. Zwei Ausgaben seien bereits erschienen. Der Vertrag mit Springer Nature laufe jedoch noch bis Juni 2019 weiter, damit alle Abmachungen mit Autoren eingehalten werden könnten.

Die Herausgeber von "Transculutral Research" kritisieren einen inakzeptablen Vertrauensbruch gegenüber den Autorinnen und Autoren der Buchreihe sowie der internationalen Wissenschafts-Community. Springer Nature habe in die Wissenschaftsfreiheit eingegriffen. Die Herausgeber werden dem Verlag "vorauseilenden Gehorsam vor der chinesischen Zensur" vor.

"Springer hätte die Macht gehabt, sich einer solchen politischen Einflussnahme entgegenzustellen." Rudolf W. Wagner

Springer Nature begründet die Entscheidung laut einem Schreiben, das Forschung & Lehre vorliegt, mit der Verantwortung, der wissenschaftlichen Gemeinschaft einen weitestmöglichen Zugriff auf Forschungsergebnisse zu sichern. Ginge der Verlag nicht auf die rechtlichen Vorgaben zur Beschränkung einzelner Beiträge ein, müssten sie fürchten, nicht mehr alle Verlagsangebote in China veröffentlichen zu können.

Wagner sagt, es habe keine rechtliche Verpflichtung gegeben, die Beiträge zu löschen. Es gehe nur um informelle Richtlinien aus China. Das Büro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (CCPPD) gebe Themen bekannt, die nicht an die chinesische Bevölkerung gelangen sollten. Auf diese würden die Verlage dann angesprochen, sagte Wagner.

Während Springer Nature sich darauf beruft, den Richtlinien habe folgen müssen, weil diese in China ein starkes Gewicht hätten, kritisiert Wagner diese Entscheidung scharf. Der Großverlag hätte – gerade in Zusammenarbeit mit anderen Großverlagen – die Macht gehabt, sich einer solchen politischen Einflussnahme entgegenzustellen. "Der chinesischen Bevölkerung soll vorgegaukelt werden, über internationale Diskussionen informiert zu werden. Dabei wird ihnen ein völlig verzerrtes Bild gezeigt", sagte Wagner.

aktualisiert: 18.10.18, 14:19 Uhr