US-Kapitol
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USA
Wissenschaftler schockiert über Sturm des US-Kapitols

Hochschulvertreter zeigen sich schockiert über den Angriff auf das US-Kapitol. Dies gilt als beispielloser Angriff auf die amerikanische Demokratie.

07.01.2021

Anhängerinnen und Anhänger des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump haben am Mittwoch gewaltsam das Kapitol in Washington gestürmt. Damit wollten sie verhindern, dass der dort tagende US-Kongress den Wahlsieg von Joe Biden offiziell bestätigt. Trump hatte seine Wählerschaft in den vergangenen Wochen wiederholt dazu aufgerufen, die Ernennung Bidens zu verhindern. Vier Menschen kamen bei den Ausschreitungen ums Leben, mehr als 50 wurden festgenommen.

Nachdem die Sitzungssäle vorübergehend evakuiert worden waren, konnte die offizielle Ernennung Bidens letztlich dennoch stattfinden. Biden soll am 20. Januar als neuer Präsident der USA vereidigt werden. Trump versprach am Donnerstag erstmals eine geordnete Amtsübergabe. Das Wahlergebnis zweifelt er weiterhin an.

Hunderte Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler unterzeichneten als Reaktion auf die Unruhen am Mittwoch einen offenen Brief. Sie fordern darin, Trump sein Amt unmittelbar zu entziehen – durch das Amtsenthebungsverfahren oder wegen Amtsunfähigkeit unter Berufung auf den 25. Zusatzartikel der US-Verfassung. Ihrer Ansicht nach bedrohe Trumps Verhalten die amerikanische Demokratie.

"Er hat die friedliche Machtübertragung abgelehnt, die Gesetzgeber des Bundesstaates ermutigt, die Wahlergebnisse in ihren Bundesstaaten umzukehren, einen Staatsbeamten unter Druck gesetzt, die Wahlergebnisse zu ändern, und nun einen gewalttätigen Mob angestiftet, der die Auszählung der Wahlstimmen eingestellt und das US-Kapitol gestürmt hat", schreiben sie in dem Brief zu Trump. Damit handele er entgegen seines Eids, die Verfassung zu schützen.

Angriff auf US-Kapitol: Universitätsleitungen und DAAD schockiert

Auch zahlreiche Universitätsleitungen in den USA zeigten sich bestürzt über die jüngsten Ereignisse. In Briefen an Hochschulangehörige und in den sozialen Medien kritisierten sie Trump und seine Anhänger laut Medienberichten ungewöhnlich scharf. Einige nannten den Sturm des Kapitols einen Putschversuch. Er sei "das direkte Ergebnis einer Kampagne, um Misstrauen in unsere Demokratie zu säen", sagte etwa Vincent Price, Präsident der Duke University in Durham, North Carolina. "Die Respektlosigkeit, die dem Tempel unserer Demokratie entgegengebracht wird, ist herzzerreißend", sagte Mark Kennedy, Präsident der University of Colorado und ehemaliges republikanisches Mitglied des US-Repräsentantenhauses.

"Der Angriff auf das US-Kapitol ist schockierend", sagte der Präsident des DAAD, Professor Joybrato Mukherjee gegenüber Forschung & Lehre. "Doch so angewidert wir von diesen Ereignissen sind, sollten wir uns bewusst machen, dass es nicht 'die USA' waren und mit den Fingern auf das ganze Land zeigen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, unser gemeinsames Wertefundament weiter zu stärken und unter einem neuen Präsidenten die wissenschaftliche Zusammenarbeit wieder mit neuem Schwung zu versehen. Wir sind auf die Zusammenarbeit mit den USA angewiesen."

"Der 6. Januar wird als politischer Erdrutsch in die Geschichte eingehen", sagte Michael Werz gegenüber Forschung & Lehre. Der Politikwissenschaftler arbeitet seit Jahren am Center for American Progress in Washington. Die aktuellen Entwicklungen seien nicht nur "Protest" oder "parteipolitische Differenzen", sondern eine Weltflucht. "Weite Teile der republikanischen Stammwählerschaft fremdeln mit dem modernen Amerika und sind dabei, Demokratie, Aufklärung und Wissenschaft hinter sich zu lassen", sagte Werz. Trump sei dabei zugleich Resultat und Brandbeschleuniger eines jahrelangen Radikalisierungsprozesses der Republikaner.

Über 80 republikanische Abgeordnete des Repräsentantenhauses stellen sich laut Werz weiterhin gegen das Wahlergebnis und "damit de facto auf die Seite der rechtsextremistischen Krawallmacher, die noch Stunden zuvor das Kapitol gewaltsam gestürmt hatten". Nachdem die formellen Voraussetzungen für die Amtseinführung nun gegeben sind, müssten sich republikanische Parteianhänger Werz zufolge entscheiden, ob sie sich "in die amerikanische Wirklichkeit zurücktrauen". Der Ausgang sei ungewiss.

ckr, kas