Die Richterinnen und Richter des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts
picture alliance/dpa | Uli Deck

Gerichtsurteil
Beschwerde gegen Durchsuchung eines Lehrstuhls erfolglos

Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde eines Professors abgelehnt. Grund ist eine verstrichene Frist, nicht der Sachverhalt als solcher.

20.10.2023

Das Bundesverfassungsgericht hat am Freitag bekanntgegeben, dass die Verfassungsbeschwerde eines Universitätsprofessors nicht angenommen wurde. Der Professor sah sich durch eine Durchsuchung seines Lehrstuhls und die Beschlagnahmung von Forschungsunterlagen in seiner Forschungsfreiheit verletzt.

Der Hochschulprofessor hatte im Rahmen seines Forschungsprojekts zur "Islamistischen Radikalisierung im Justizvollzug" Interviews mit mehreren Strafgefangenen geführt, denen Vertraulichkeit zugesichert worden war. Aufgrund des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bei einem der Interviewten hatte das Oberlandesgericht München die Durchsuchung der Lehrstuhlräumlichkeiten des Professors und die Beschlagnahme der Beweismittel angeordnet, um insbesondere die angefertigte Tonbandaufnahme und das Protokoll des Interviews zu erlangen.

Der Professor legte zunächst beim Oberlandesgericht München erfolglos Beschwerde gegen die Anordnungen ein. Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde zurück und argumentierte unter anderem, dass dem Professor kein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe. Weder bestehende gesetzliche Regelungen noch die Forschungsfreiheit würden ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbot begründen.

In der Sache meldet das Bundesverfassungsgericht Bedenken an

Im Anschluss legte der Professor Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts ein. Diese wurde als unzulässig abgelehnt, weil der Professur die vorgegebene Beschwerdefrist versäumt hatte. Das Bundesverfassungsgericht meldete gleichzeitig jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der getroffenen Entscheidungen an. Das Oberlandesgericht München hat laut Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts "das Gewicht und Reichweite der Forschungsfreiheit nicht angemessen berücksichtigt".

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist rechtskräftig. Dass das Gericht diesen jedoch so ausführlich begründet, bewertet der Deutsche Hochschulverband (DHV) als bewusst platzierten Hinweis an Behörden und Gerichte. Diese müssten künftig der Forschungsfreiheit ein stärkeres Gewicht beimessen, insbesondere wenn ein Forschungsvorhaben auf die Vertraulichkeit von personenbezogenen Daten bei der Datenerhebung und Datenverarbeitung angewiesen ist.

cle, kas