Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen
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Gerichtsstreit
Land legt Beschwerde im Fall Bahar Aslan ein

Als Bahar Aslan ihr Lehrauftrag entzogen wurde, ging sie per Eilantrag dagegen vor – und bekam recht. Nun zieht das Land vor die nächste Instanz.

19.09.2023

Im Streit um den Entzug eines Lehrauftrags für Bahar Aslan an der Polizei-Hochschule NRW (HSPV) hat das Land Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster eingelegt. Ein Sprecher des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen bestätigte diesen Schritt am Dienstag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Die Dozentin Bahar Aslan hatte sich gerichtlich gegen den Entzug gewehrt und Anfang September in einem Eilverfahren in erster Instanz recht bekommen. Ein Gericht in Gelsenkirchen bemängelte, dass die Hochschule bei ihrer Entscheidung über den Widerruf des Lehrauftrags keine angemessene Gesamtabwägung durchgeführt hätte. Folglich gab das Gericht dem Eilantrag der Dozentin statt. Dagegen richtet sich nun die Beschwerde des Landes NRW. Ein Termin für die Hauptverhandlung steht noch nicht fest.

Aslan wies in einem Tweet auf Rechtsextremismus bei der Polizei hin

Aslan war mit einem Eintrag auf der Plattform Twitter, die inzwischen X heißt, in die Kritik geraten: "Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land."

Die Hochschule hatte diese sowie weitere Tweets herangezogen, um den Widerruf des Lehrauftrags zu rechtfertigen. Außerdem führte die Hochschule an, Aslan habe es versäumt, sich eine Nebentätigkeit genehmigen zu lassen. Das Gericht kritisierte jedoch, die Hochschule hätte in die erforderliche Gesamtbetrachtung auch solche Umstände miteinbeziehen müssen, die für Aslan als Lehrbeauftragte sprächen. Zudem sei Aslan vorgeworfen worden, sie habe mit ihrem Tweet dafür gesorgt, dass die Hochschule Drohungen erhalten habe. Das sah das Gericht als nicht erwiesen an. 

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten sich hinter Aslan

Die Entscheidung wurde von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die Aslan in diesem Verfahren unterstützte, als "ein positives Signal für die Meinungsfreiheit" aufgenommen. "Die Hochschule ist dem weitverbreiteten reflexartigen Wunsch gefolgt, die Überbringerin schlechter Nachrichten zu bestrafen und trägt nun die Konsequenzen: Das war rechtswidrig", so Laura Kuttler, Juristin der GFF.

Aslan hatte nach dem Tweet eine "unglückliche Wortwahl" eingeräumt und gesagt, es tue ihr leid, wenn sich Polizistinnen und Polizisten angesprochen fühlten, die vorbildlich ihren Dienst täten. Ihr Anwalt gab zum selben Zeitpunkt bekannt, es entstehe der Eindruck, dass man Aslan "bewusst missverstehen will". Aslan habe zugespitzt, aber nicht pauschal alle Polizistinnen und Polizisten als "braunen Dreck" bezeichnet.

Eine Vielzahl von Forschenden stellte sich hinter Aslan. Mehr als 450 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Prominente sowie in der Politik tätige Personen hatten sich in einem Offenen Brief im Mai hinter die Hochschuldozentin gestellt. "Bahar Aslan ist keine Gefährdung für die Demokratie. Im Gegenteil. Sie ist eine Bereicherung für die Polizeiausbildung", hieß es in dem Schreiben. Unterzeichnet hatten den Brief auch zahlreiche Kolleginnen und Kollegen Aslans von der HSPV, darunter Professorinnen und Professoren der Hochschule sowie weitere Lehrbeauftragte der Einrichtung. Das Vorgehen der HSPV sei einer Hochschule unwürdig, hieß es in dem Brief weiter. 

Die ist eine aktualisierte Fassung eines Artikels vom 6.9.2023.

dpa/cle