Foto einer weißen Ratte, wie sie in der Forschung oft verwendet wird
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Standpunkt
Rechtsstaatlicher Umgang mit Tierversuchen!

Wer entscheidet über die Zulässigkeit von Tierversuchen in der Grundlagenforschung? Die Autoren sagen: Die Behörden überschreiten oft ihre Kompetenz.

Der behördliche Umgang mit Tierversuchen in der biowissenschaftlichen Forschung liegt vielerorts im Argen. Erforderliche Genehmigungen werden manchmal aufgrund politischer Ressentiments rechtswidrig verzögert und Forschung hintertrieben, teils – wie jüngst ein Dringlichkeitsantrag aus der Bremischen Bürgerschaft zeigte – mit Begründungen, deren Faktenverdrehung beängstigend an die Wissenschaftsfeindlichkeit von "Querdenkern" erinnert.

Das Verwaltungsgericht Bremen hat daher Ende November im Eilverfahren die Hansestadt vorläufig verpflichtet, die Fortsetzung von Versuchen an Ratten und Makaken auf dem Gebiet der Neuro- und Kognitionsforschung über das Ende der Genehmigungsperiode hinaus zu dulden, um irreparable Nachteile zu vermeiden. Das ist nicht neu. Die Verlängerung tierversuchsrechtlicher Genehmigungen musste wiederholt vor den Verwaltungsgerichten durchgesetzt werden. In Bremen scheint der Senatsverwaltung der Hansestadt das Recht nicht einmal mehr als Inspirationsquelle zu dienen, ein Bescheid wurde zurückgehalten, weil man glaubte, dadurch den Antrag leichter ab­lehnen zu können. Das Land Bremen hat übrigens gerade eine sehr erfolgreiche Impfkampagne mit Corona-Impfstoffen durchgeführt, die wir ohne jahrzehntelange mühevolle Grundlagenforschung nicht haben würden. Diese Grundlagenforschung ist natürlich auch den Weg über Tierversuche gegangen.
 

Ob Tierversuche zu Zwecken der Grundlagenforschung "unerlässlich" sind, wie es das Tierschutzgesetz erfordert, ist mit Blick auf die Forschungsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz zuvörderst von den Forschenden zu beurteilen. Eine staatliche Genehmigungsbehörde muss prüfen, ob dies plausibel dargelegt ist, kann die Darlegungen aber nicht durch eigene "wissenschaftliche" Wertungen ersetzen. Im Juni 2021 wurde das Tierschutzgesetz geändert und hierbei die Prüfungsverantwortung der Behörde herausgestrichen. Dass die Prüfung mit der Detailliertheit erfolgen muss, "die der Art des Versuchsvorhabens angemessen ist", ist selbstverständlich und verweist nur auf die Amtsermittlungspflicht. Die Behörde muss sich gegebenenfalls unabhängigen Sachverstandes bedienen. Eine inhaltliche Befugnis zur Forschungssteuerung oder zur Bewertung, welche Forschungsmethoden und -ziele staatlicherseits "erwünscht" sind, folgt hieraus nicht. Die Wissenschaftsfreiheit ließe dies bei verfassungskonformer Auslegung des Tierschutzrechts nicht zu.

Wenn einzelne Länder ausgerechnet diejenigen Forschungszweige kujonieren, die Erkenntnisinteresse unabhängig von industrieller Nutzung verfolgen, untergraben sie gezielt die kritische Gegenöffentlichkeit von akademischer Forschung, die von kommerziellen Verwertungsinteressen losgelöst ist.