Detailaufnahme eines Wörterbuchs mit der Definition des Worts "Plagiat" als Diebstahl an geistigem Eigentum.
mauritius images / Pitopia / Photographie & mehr

Plagiate
Wann zitiert und verwiesen werden muss

Das VG Berlin stellt klar, welche Nachweispflicht Promovierende in Dissertationen haben: Alle übernommenen Gedanken müssen kenntlich gemacht werden.

12.01.2022

Es ist gute wissenschaftliche Praxis, Übernahmen aus den Werken anderer durch Fußnoten und Verweise nachvollziehbar zu machen. Trotzdem kommen Plagiatsfälle immer wieder vor. Das Berliner Verwaltungsgericht (VG) hat in einer nun veröffentlichten Urteilsbegründung im Detail dargelegt, dass bei jedem Satz, der fremde Ideen enthält und sei es auch nur in Paraphrasen, die Herkunft dieser Ideen angegeben werden muss. Leserinnen und Leser müssten an jeder Stelle wissen, wer zu wem spreche.

Der Anlass zu dieser Darlegung war die Klage eines Mediziners gegen den Entzug seines im Jahr 2011 an der Medizinischen Fakultät der Charité – Universitätsmedizin Berlin erlangten Doktortitels. Bereits im August 2014 hatte die Plattform "VroniPlag Wiki" die Charité auf den Plagiatsverdacht hingewiesen: 62 Prozent der Seiten der Dissertation des Klägers enthielten wörtliche und sinngemäße Übernahmen aus anderen Dissertationen, selbst im Ergebnisteil und der Diskussion. Im September 2019 wurde der Entzug des Titels durch die Promotionskommision entscheiden.

Gegen diese Entscheidung klagte der betroffene Mediziner mit Verweis auf eine nicht ordnungsgemäße Besetzung der Prüfungskommission. Die fehlende Kenntlichmachung der Quellen sei ein handwerklicher Fehler ohne Täuschungsabsicht. Dies wies die Universität mit Verweis auf die prozentualen Anteile der Übernahmen allerdings zurück. Die Klage wurde im November 2021 durch das VG Berlin abgewiesen, es habe keine Verfahrensfehler seitens der Universität gegeben, die Beschlüsse der Promotionskommission seien ordnungsgemäß zustande gekommen.   

Anforderungen an Promovierende

Laut Urteilsbegründung sind Titelentziehungen rechtmäßig, wenn sich herausstellt, dass akademische Grade durch Täuschung erworben wurden, etwa wenn Promovierende vorsätzlich einen Irrtum über Tatsachen hervorrufen, die für die Bewertung einer Promotionsleistung erheblich sind. Grundlegend sei es, "das Gebot der Eigenständigkeit der Promotionsleistungen zu erfüllen". Damit hängt zusammen, dass Arbeiten anderer durch Zitate oder Verweise offengelegt werden müssen.

Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung habe das Gericht mit seinem Urteil seine im Jahr 2020 entwickelte Rechtsprechung zur Zitierung von Zwischenquellen bestätigt: Es sei auch dann eine Täuschung, wenn nur der Ursprung einer inhaltlichen Aussage ("Letztquelle"), nicht aber die Zwischenquelle aus der der Autor oder die Autorin den Verweis entnommen habe, zitiert werde. Aus dieser Zwischenquelle werden oft die Paraphrase der Letztquelle und die zugehörige Textstelle entnommen, ohne dass diese Übernahme fremder Gedanken deutlich gemacht werde.

Ob eine Dissertation trotz Plagiaten noch als Eigenleistung angesehen werden könne, läge laut VG Berlin am Ausmaß der Plagiate und der Frage, ob sie die Arbeit quantitativ, qualitativ oder in beiden Dimensionen gemeinsam prägen. Dies sei der Fall, wenn die Plagiatsstellen im Gesamtumfang der Arbeit eine überhandnehmen. Plagiate "prägen die Arbeit qualitativ, wenn die restliche Dissertation den inhaltlichen Anforderungen an eine beachtliche wissenschaftliche Leistung nicht genügt", heißt es in der Urteilsbegründung.

cpy