Das Bild zeigt einen Blick ins Treppenhaus des Heidelberger Karzers. Die Wände sind über und über mit Malereien und Inschriften verziert.
Universität Heidelberg - Kommunikation und Marketing

Fotodokumentation
Bilder aus dem Heidelberger Uni-Karzer

Mehr als hundert Jahre lang konnten Heidelberger Studenten im Karzer für Verstöße festgesetzt werden. Sie hinterließen Malereien und Gaffiti.

22.01.2022

Mehr als 2.000 Malereien und Graffiti der inhaftierten Studenten zieren die Decken und Wände des ehemaligen Karzers der Uni Heidelberg. Das Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg hat in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege eine Fotodokumentation des ehemaligen studentischen Gefängnisses zusammengestellt und online in einem neuen Portal zugänglich gemacht. Die Forschenden haben die Inschriften und Malereien fotografiert und mit Hintergrundinformationen zu den einzelnen Objekten versehen, darunter auch Angaben von wem sie wann gestaltet wurden.

Ausgangspunkt dieser Fotodokumentation ist ein zentimetergenauer Plan des Karzers mit allen fünf Arrestzellen sowie dem Treppenhaus, das sich über drei Stockwerke erstreckt. Jede Malerei, jede Inschrift, jede Zeichnung wurde fotografisch erfasst und klassifiziert. "Durch Auswertung verschiedener Quellen des Universitätsarchivs war es in sehr vielen Fällen möglich, die Karzerinsassen als Urheber der Graffiti namentlich zu identifizieren. Mithilfe des sogenannten Karzerbuchs ließ sich zudem ermitteln, welche Person wann und wie oft eine Strafe im Studentengefängnis verbüßt hat", so der Leiter des Dokumentationsprojekts, Professor Matthias Untermann vom Institut für Europäische Kunstgeschichte.

Ein historischer Ort mit bekanntem Besucher

Der Studentenkarzer befindet sich in der Heidelberger Augustinergasse auf der Rückseite der Alten Universität. Laut Pressemitteilung hat die Universität das Gebäude 1786 erworben und im Laufe des 19. Jahrhunderts zum Karzer umgebaut. Mehr als 100 Jahre lang wurden demnach Studenten dort unter Anwendung der akademischen Gerichtsbarkeit für Vergehen, wie die nächtliche Ruhestörung oder andere Verstöße gegen die öffentliche und universitäre Ordnung, festgehalten. Ähnliche studentische Gefängnisse gab es an vielen Universitäten in Deutschland, teilweise sind sie ähnlich wie in Heidelberg noch erhalten, etwa an der Bergakademie Freiberg oder der Philipps-Universität Marburg.

In den letzten Jahrzehnten vor Schließung des Gefängnisses im Jahr 1914 habe es in Studentenkreisen als schick gegolten, sich in den Karzer sperren zu lassen und sich dort mit Malereien und Kritzeleien zu verewigen. "Ich glaube nicht, dass ich jemals in üppiger mit Fresken geschmückten Räumen war", schrieb laut Mitteilung der amerikanische Schriftsteller Mark Twain, als er den Heidelberger Karzer im Jahr 1878 besuchte.

Verschiedene Such- und Filterfunktionen erleichtern die Suche im Online-Portal. Räume können direkt angesteuert werden. Darüber hinaus kann man auch nach bestimmten Personen oder Gruppen suchen, wie etwa studentischen Verbindungen. Ergänzende Links führen darüber hinaus zu den Quellen des Heidelberger Universitätsarchivs sowie der Universitätsbibliothek. Handschriftliche Texte wie die Inschriften, die sich auf Wänden und Decken der Arrestzellen sowie des Treppenhauses befinden, werden in einer Transkription zugänglich gemacht.

Die Bilddatenbank ist auch hilfreich für die Sanierung des Karzers, so Untermann. Durch natürliche Verfallserscheinungen seien umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen notwendig geworden, um die Bemalungen zu erhalten.

Studentenkarzer der Universität Heidelberg

Das Online-Portal der Fotodokumentation über das studentische Gefängnis der Universität Heidelberg ist frei zugänglich. Neben Überblicksbildern, die die Vielfalt der Malereien und Graffitti darstellen, und Aufnahmen der einzelnen Objekte finden sich durch Links zum Heidelberger Universitätsarchiv und der Unibibliothek auch Informationen über die Urheber vieler Inschriften, etwa ihre Lebensdaten und Studienfächer.

cpy