Mann und Frau mit Koffer laufen einen Gang entlang
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Weltfrauentag
Der lange Weg zur Gleichstellung

Seit über 100 Jahren sind Frauen an deutschen Hochschulen vertreten. Am Weltfrauentag blickt Forschung & Lehre auf die Entwicklung der Gleichstellung.

09.03.2020

Frauen müssen bis zur Gleichberechtigung noch viele Kämpfe bestehen, auch an den Universitäten und in der Wissenschaft. Dass Männer in der Forschung auch heute noch weltweit stärker vertreten sind als Frauen, zeigt unter anderem ein aktueller Bericht des Wissenschaftsverlags Elsevier. In fast allen Ländern publizieren Frauen weniger, reichen weniger Patente ein und erhalten weniger Stipendien. Nur langsam holen sie zu den Männern auf.

Eine Erhebung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) bestätigt dieses Bild für Deutschland. Der Anteil von Frauen in der Wissenschaft sinkt mit jeder Qualifikations- und Karrierestufe. Während bei Immatrikulation und Studienabschluss noch Parität herrscht, fällt der Frauenanteil bis zur Habilitation auf 29 Prozent. Nur jede vierte Universität wird von einer Frau geleitet. Dabei wollen auch nicht alle Frauen eine Führungsposition übernehmen. Viele suchen gezielt weniger wettbewerbsorientierte berufliche Positionen.

Auf europäischer Ebene ist der Anteil noch deutlich geringer: Unter den mehr als 800 Mitgliedshochschulen der European University Association (EUA) sind es laut Statistik 15 Prozent. In 20 EU-Staaten werde keine Universität von einer Frau geleitet. Zwischen 2014 und 2020 habe der Anteil der frauengeführten Hochschulen jedoch zugenommen, um 38 Prozent. Weltweit werden laut Times Higher Education (THE) 19 Prozent der 200 besten Universitäten von Frauen geleitet. An der Spitze liegt beim Verhältnis von Frauen in Führungspositionen Schweden. Das Land ist mit fünf Universitäten im THE-Ranking vertreten, drei mit Frauen in der Leitungsfunktion.

Die ersten Frauen kamen schon Anfang des 20. Jahrhunderts an die Universitäten in Deutschland: Studieren durften sie ab 1900, habilitieren ab 1921. Die Chemikerin Margarete von Wrangell war die erste Frau, die 1923 einen Professorentitel erhielt. Inzwischen sind bundesweit knapp ein Viertel (24 Prozent) der Professuren durch Frauen besetzt. Berlin steht als führendes Bundesland beim Frauenanteil inzwischen bei einem Drittel der Professuren und bei Neuberufungen kurz vor der 50-Prozent-Marke von Frauen.

An den Unis dominieren Einzelmaßnahmen

Generell sind die meisten Professorinnen und Professoren an deutschen Hochschulen für Gleichstellung. Einer Studie zufolge wissen sie jedoch oft zu wenig über wirksame Maßnahmen, um diese auch zu erreichen. Stereotype Geschlechterbilder und Widerstand gegen Änderungen in der männerdominierten Machtstruktur prägen nach wie vor die Hochschullandschaft in Deutschland. Manchmal mangelt es zusätzlich am Zusammenhalt unter den Frauen, wie ein Karrierecoach für aufstrebende Wissenschaftlerinnen erklärt. Trotz zahlreicher Einzelmaßnahmen an Universitäten, wie etwa Mentorenprogrammen für Wissenschaftlerinnen, fehlt es an übergeordneten Strukturen für mehr Gleichstellung. Wie diese aussehen könnten, erforschen beispielsweise mehrere europäische Hochschulen im Projekt EQUAL4EUROPE.

Ungleiche Strukturen äußern sich auch im Gehalt: Frauen in der Besoldungsgruppe W3 erhielten 2018 im Schnitt 690 Euro weniger als ihre Kollegen. Auch außerhalb der Wissenschaft verdienten Frauen deutlich weniger als Männer. Die Rolle der Frau als Hauptverdienerin ist laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung selbst unter Paaren umstritten und führt einer schweizer Studie zufolge sogar zu falschen Angaben.

Seit 1911 gibt es den Weltfrauentag, seit 1921 wird er jährlich am 8. März gefeiert. Ins Leben gerufen haben ihn sozialistische Organisationen, um für die Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation von Arbeiterinnen zu kämpfen. 2019 jährte sich das Wahlrecht für Frauen zum 100sten Mal. Während 1919 immerhin acht Prozent der Abgeordneten weiblich waren, beträgt der Frauenanteil im Bundestag nach offiziellen Angaben derzeit 31 Prozent. Im Kabinett der Bundesregierung sind aktuell sieben der 16 Posten von Frauen besetzt.

aktualisiert: 9.3.20, 15:00 Uhr, zuerst veröffentlicht: 8.3.20, 00:00 Uhr

ckr/kas