Einsame Bank am Strand, kein Mensch ist zu sehen.
mauritius images / Petra Daisenberger

Gesellschaftlicher Zusammenhalt
Die Gefahr der Einsamkeit und wie man sie bewältigt

Einsamkeit ist weit verbreitet – während der Pandemie hat sich das Problem verschärft. Was können Betroffene dagegen tun?

16.04.2022

Wenig Resonanz, keine Nähe, kaum Austausch: Viele Menschen in Deutschland fühlen sich einsam, und die Corona-Pandemie hat das Problem noch einmal verschärft. "Es ist schwierig, konkrete Zahlen zu nennen, manche Studien gingen bereits vor Corona von einigen Millionen aus", sagt Professorin Maike Luhmann, Einsamkeitsforscherin von der Ruhr-Universität in Bochum. Klar sei: "Während der Pandemie hat es eine deutliche Zunahme an einsamen Menschen gegeben. Das betrifft alle Altersgruppen – und insbesondere die Jüngeren."

Die möglichen Folgen sind gravierend: "Wenn man über längere Zeit einsam ist, kann das zu erheblichen körperlichen und seelischen Problemen führen", erklärt die Wissenschaftlerin. Depressionen, Angstzustände und Suchtkrankheiten könnten verstärkt auftreten. Aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar Demenz seien mit Einsamkeit in Verbindung gebracht worden.

Initiativen gegen die Einsamkeit

Doch wie kann die Einsamkeit gelindert werden? Und was kann die Gesellschaft und vielleicht auch jeder Einzelne tun? Als positives Beispiel gilt für viele Großbritannien. Dort gibt es bereits seit 2018 einen Regierungsposten, der für die Bekämpfung von Einsamkeit zuständig ist. So können Ärztinnen und Ärzte Rezepte gegen Einsamkeit ausstellen, auf denen sie beispielsweise soziale Aktivitäten verschreiben. Und in den Niederlanden hat eine Supermarktkette sogenannte Plauderkassen eingeführt, an denen man beim Einkauf noch ein paar Worte wechseln kann.

Aber auch in Deutschland tut sich etwas – auf unterschiedlichen Ebenen. In Baden-Württemberg wurden bei einem Aktionstag im vergangenen Jahr beispielsweise zwanzig "Schwätzbänkle" an verschiedenen Orten im Land aufgestellt, um Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Die hessische Landesregierung sucht derzeit bei einem Wettbewerb gelungene kreative Projekte gegen Einsamkeit. "In Hessen gibt es vielfältige und inklusive Aktionen, kleine und große Projekte, die generationsübergreifend gegen Einsamkeit und Isolation wirken – und deren Engagement wollen wir würdigen", sagt Sozialminister Kai Klose (Grüne).

Auf Bundesebene wurde Anfang des Jahres das von der Regierung unterstützte "Kompetenznetz Einsamkeit" (KNE) auf den Weg gebracht. "Einsamkeit hat viele Gesichter und Gründe und ist keine Frage des Alters", hatte die damalige Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) beim Stratschuss des Projekts erklärt. Bei dem KNE gehe es darum, Wissen zu bündeln, engagierte Menschen zu vernetzen und eine Strategie gegen Einsamkeit zu entwickeln.

Alleine oder einsam

Natürlich würden sich immer mal wieder Menschen einsam fühlen, wichtig sei aber, dass daraus kein Dauerzustand werde, sagt Alexander Langenkamp vom Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim KNE. "Chronische Einsamkeit ist das, was uns krank macht." Auch müsse man zwischen Einsamkeit und Alleinsein unterscheiden: "Einsamkeit ist eine negative Empfindung. Alleine sein ist ein körperlicher Zustand. Man kann umgeben von Menschen sein und sich einsam fühlen, man kann aber auch alleine sein und sich glücklich fühlen."

Expertin Luhmann rechnet damit, dass in diesem Jahr die Zahl einsamer Menschen in Deutschland nach dem Hoch 2021 wieder etwas zurückgeht. "Was ich aber befürchte, ist, dass die Einsamkeitsschere weiter auseinander geht. Dass sich also die Ungleichheit weiter verstärkt." Vielen, vor allem den Jüngeren, werde es wohl gut gelingen, ihre Einsamkeit zu überwinden – gerade jetzt wo das soziale Leben wieder los gehe. "Aber es gibt die anderen, die während der Pandemie in eine chronische Einsamkeit gerutscht sind. Sie brauchen unsere Hilfe, um da wieder rauszukommen."

dpa/cpy