Portraitfoto von Friedrich Dürrenmatt
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Friedrich Dürrenmatt
Etwas auf die "schlimmstmögliche Wendung" hin zu denken

Der "Katastrophendenker" Friedrich Dürrenmatt wäre heute 100 Jahre alt. Ein Interview mit Dr. Ulrich Weber über die zeitlose Bedeutung seines Werks.

Von Vera Müller 04.01.2021

Forschung & Lehre: Herr Dr. Weber, der Schriftsteller, Dramatiker und Maler Friedrich Dürrenmatt würde heute 100 Jahre alt. Wie würden Sie seine Bedeutung als Autor im Jahr 2021 einschätzen? Was ist immer noch aktuell?

Ulrich Weber: Zum einen ist er ein historischer Autor. Er hat zur Zeit des Kalten Kriegs geschrieben, Bezüge dazu findet man immer wieder in seinen Texten, beispielsweise in einem Stück wie "Die Physiker". Er widmete sich mit einem gewissen Weitblick Themen wie künstliche Intelligenz und künstliche Befruchtung oder auch den Risiken der Technik. Andererseits können wir vieles von ihm immer noch mit Vergnügen lesen, auch wenn sich unsere Welt verändert hat. Seine Texte sind leicht zugänglich, erst bei der wiederholten Lektüre stellt man fest, dass Dürrenmatt sehr komplexe Fragen thematisiert. Sein 1951 erschienener Kriminalroman "Der Richter und sein Henker" ist sehr witzig und zugleich spannend, er lässt sich schnell und leicht lesen. Wer das aber durchdenkt, merkt, dass er bereits in diesem ersten Kriminalroman die Fundamente des Detektivromans stark in Frage stellt, denn der Protagonist, Kriminalkommissar Bärlach, ist auch ein Mörder, der sich über das Gesetz hinwegsetzt und ziemlich kaltblütig einen indirekten Mord beziehungsweise sogar einen indirekten Doppelmord begeht. 

Portraitfoto von Dr. Ulrich Weber
Der Germanist Dr. Ulrich Weber ist Kurator des Dürrenmatt-Nachlasses im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern. Von ihm ist jüngst erschienen: "Friedrich Dürrenmatt. Eine Biographie", Diogenes Verlag Zürich, 2020. privat

F&L: Mit einigen seiner Stücke erlangte Dürrenmatt Weltruhm. Worauf gründet sich dieser Erfolg?

Ulrich Weber: Dürrenmatt bediente gerne populäre Genres und nahm mit Komödienelementen das Publikum gefangen. Erst wenn sich der Leser mitten in der Handlung befindet, stellen sich die Irritationen und Fragen ein. Er lieferte keine simplen Antworten wie zum Beispiel die, jeder Mensch sei käuflich, sondern er stellte die Frage, unter welchen Bedingungen wir bereit sind, unsere moralischen Prinzipien zu opfern. Das war in den 1950er Jahren mit Rückblick auf die Nazizeit und das Mitläufertum in Deutschland, aber auch in der Schweiz, sehr aktuell. Zugleich geht es um Fragen, die in allen kulturellen und historischen Kontexten entscheidend sind: Wie verhält sich der Einzelne? Wo lässt er sich von einem Kollektiv treiben und wo will er sich nicht seiner individuellen Verantwortung stellen?
Er hatte ein Gespür für Probleme und Fragen, die in der Luft lagen, und reagierte auch sehr bewusst darauf. Auch wenn er es ablehnte, dass man die Tragikomödie wie "Der Besuch der alten Dame" (1956 uraufgeführt) eins zu eins auf den Marshallplan und das Wirtschaftswunder bezog, war zugleich auch klar, dass er in Parabelform auf diese Konstellationen reagierte. Plötzlich fand ein großer Wirtschaftsaufschwung statt, verbunden mit einem Fortschrittsglauben und –optimismus, und nur zu gerne wurden die Fragen nach der Schuld im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg unter den Teppich gekehrt. Das veränderte sich dann im Kontext der 1968er-Bewegung, als diese Fragen nochmals ganz neu und gründlich aufgearbeitet wurden. Mit der Komödie "Die Physiker", 1962 uraufgeführt, hat er in einer der heißesten Phasen des Kalten Kriegs ein Stück geschrieben, das vordergründig nichts mit atomarer Bewaffnung zu tun hat. Aber es brachte die Frage nach der Verantwortung der Naturwissenschaftler, der Physiker in dieser Situation eines möglichen Atomkrieges auf den Punkt – und das in komödiantischer Form. Das Stück fängt wie eine heitere Kriminalkomödie an und am Schluss lässt es den Leser ratlos zurück. Es wird gezeigt, dass sogar der Rückzug aus der Welt ins Irrenhaus letztlich nicht davor bewahrt, dass die Entdeckung, die der Physiker Möbius gemacht hat, durch eine verrückte Irrenärztin – eine Art "Frau Welt" –, benutzt wird. "Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden." Das haben auch Physiker, allen voran Albert Einstein, festgestellt.

F&L: Dürrenmatt hat sich intensiv mit Astronomie, Mathematik und Physik sowie Fragen der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie beschäftigt. Wie beurteilte er die Rolle und den Einfluss der Wissenschaft auf die Welt?

Ulrich Weber: Für ihn hatte die Wissenschaft einen viel stärkeren Einfluss auf die zivilisatorischen Prozesse als all unsere politischen Diskussionen. Diese Dynamik, die sich einerseits durch die Entwicklungen der Naturwissenschaften wie durch das Verständnis des Kosmos entwickelte und auf der anderen Seite die neuen technischen Möglichkeiten, die sich daraus ergaben, fanden seiner Meinung nach viel zu wenig Eingang in populäre Darstellungen wie in der Literatur. Für ihn steckten wir zu sehr in einem veralteten Weltbild.

"Ganz unterschiedliche Denkweisen kommen in seinem Werk zusammen."

F&L: Wie stark sind seine Werke von seiner Beschäftigung mit den Naturwissenschaften geprägt?

Ulrich Weber: Sehr stark. Natürlich beeinflusste ihn auch die Religion, die er als Pfarrerssohn quasi schon in der Kindheit entdeckte, sowie die griechische Mythologie. Ganz unterschiedliche Denkweisen kommen in seinem Werk zusammen. Seine Beschäftigung mit den Naturwissenschaften, mit der Quantenphysik oder der Unschärferelation, geht in seine Dramaturgie ein, wenn er immer wieder die Unberechenbarkeit des einzelnen in seinem Verhalten zum Thema macht. Da finden Sprünge zwischen ganz unterschiedlichen Welten statt. Auch die Tatsache, dass eine streng kausale Prognostik eigentlich nicht möglich ist – selbst in wissenschaftlichen Experimenten nicht –, dass nur statistische Aussagen gemacht werden können, hat seine Dramaturgie stark beeinflusst. Im Spätwerk geht er dann noch wesentlich weiter. Seinen letzten 1989 erschienenen Roman "Durcheinandertal" , der sehr wild ist, auf verschiedenen Realitätsebenen spielt und religiöse Elemente integriert, kann man auch verstehen als einen Versuch, gewisse naturwissenschaftliche Denkmodelle in ein Romangeschehen zu transferieren. Er war sich selbst sehr bewusst, dass er ein wissenschaftlicher Laie war. Er hat zwar Philosophie studiert und sehr viele naturwissenschaftliche und mathematische Bücher gelesen, aber er war kein ausgebildeter Naturwissenschaftler.

F&L: Welche Naturwissenschaftler beeinflussten sein Denken besonders?

Ulrich Weber: Friedrich Dürrenmatt kannte viele Physiker wie den Astrophysiker Fritz Zwicky oder den Nobelpreisträger Wolfgang Pauli persönlich, er hat sich mit diversen Physikern ausgetauscht. Er beschäftigte sich intensiv mit Albert Einstein und hielt einen Vortrag an der ETH Zürich zu seinem 100. Geburtstag. Dürrenmatt las aber auch populäre Darstellungen wie jene von Robert Jungk. Dessen Buch "Heller als tausend Sonnen" hatte er rezensiert und sicher hat ihn das auch in seinem Stück "Die Physiker" beeinflusst. Auch populärwissenschaftliche Darstellungen etwa von Hoimar von Ditfurth las er sehr gerne. In den 1970er Jahren, als es sehr ruhig um Dürrenmatt wurde, hat er für sich noch einmal ein (Selbst-)Studium der Philosophie, der Philosophie der Mathematik und der Naturwissenschaften nachgeholt. Physik, Mathematik und Kosmologie interessierten ihn besonders. Später in den 1980er Jahren kam dann noch die Hirnforschung dazu.

F&L: Wie reagierten Forscher auf sein Stück "Die Physiker"?

Ulrich Weber: Dürrenmatt schlug viel Skepsis entgegen. Das resultierte auch aus einem gewissen Missverständnis heraus. Es wurde zu Recht festgestellt, die Darstellung von Wissenschaft im Stück entspreche nicht der tatsächlichen Art und Weise, wie Forschung stattfindet. Dass da einer in seiner Stube Aufzeichnungen macht und sich ein System ausdenkt, sei idealistisch. Das war Dürrenmatt durchaus bewusst. Er wollte in dem Stück "Die Physiker" keine realen Forschungsprozesse abbilden. Insofern war die Kritik ein Missverständnis. Auch heute gibt es Naturwissenschaftler, die der Ansicht sind, dieses Stück habe überhaupt nichts mit den Realitäten von Forschung zu tun. Auf der anderen Seite gab es auch viele Forscher, die das Stück schätzten und mit Dürrenmatt darüber diskutierten.

"Dürrenmatt schlug viel Skepsis entgegen, auch aus einem Missverständnis heraus."

F&L: Dürrenmatt schwankte zunächst, ob er Maler oder Schriftsteller werden sollte. Was trieb ihn dann zur Schriftstellerei?

Ulrich Weber: Es bestand in seiner Jugend eine gewisse Orientierungslosigkeit zwischen Malerei und Schriftstellerei und er wusste nicht recht, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Als Gymnasiast war für ihn ganz klar, dass er Maler werden wollte. Aber die Urteile von Fachleuten über seine Zeichnungen waren zwiespältig bis negativ, so dass er zögerte. Die kurze Zeit als Student an der Universität Zürich brachte ihn dann entscheidend voran. Er hielt sich dort häufig in dem Atelier des Malers Walter Jonas auf. Bei ihm lernte Dürrenmatt nicht die Malerei, sondern die moderne Literatur kennen, dort hörte er zum ersten Mal den Namen Franz Kafka. Das führte ihn entscheidend in Richtung Literatur. Das war der eine Faktor. Der andere war, dass er das Theater entdeckte. Dürrenmatt war ein Mensch mit einer sehr bildhaften Vorstellungskraft, der nicht einfach von der Sprache herkam, sondern, wie er sagte, sich mühsam zur Sprache bringen musste. Das Theater war für ihn wie eine Art Synthese von Text beziehungsweise Sprache und Bildern. Im Theater konnte er mit literarischen Mitteln seine visuelle Phantasie umsetzen. Das hat dann dazu geführt, dass er Schriftsteller wurde.

F&L: Wie hat man sich den Schreibprozess Dürrenmatts vorzustellen?

Ulrich Weber: Ideen fehlten ihm eigentlich nie. Friedrich Dürrenmatt konnte aus dem Stegreif ganze Geschichten erfinden und erzählen, auch Kinder hörten ihm sehr gerne zu. Für ihn war es aber ein entscheidender Sprung zwischen dem mündlichen Ausdruck und der schriftlichen Sprache. Der biblische Titel seines ersten Dramas "Es steht geschrieben" (1947 uraufgeführt) ist nicht zufällig gewählt. Das Schriftliche hatte für ihn eine andere Bedeutung und Verbindlichkeit, als etwas vor sich hin zu phantasieren. Dieser Schritt war ein anstrengender und mühsamer Prozess. Als Schweizer kam bei ihm hinzu, dass er sich im Mündlichen im Dialekt ausgedrückt hat. Das Schriftliche war bereits ein Wechsel in eine andere Sprache. Und dann schrieb er sich von Fassung zu Fassung in einen Text hinein und überarbeitete diesen immer wieder; er erstellte zehn bis zwölf Fassungen von jedem Text, den er schrieb. Wie mühselig der Prozess der Verschriftlichung für ihn war, ist teilweise gut dokumentiert. Hinzu kam, dass er seine Texte nie in Ruhe lassen konnte, sondern immer weiterdachte und eine neue Idee ins Spiel brachte.

F&L: Rührte diese Vorgehensweise aus einer Begeisterung heraus oder weil es schwierig für ihn war, von dem Werk loszulassen?

Ulrich Weber: Ich denke, beides. Zum einen war da die Lust, etwas immer weiter zu denken und zuzuspitzen, etwa auf die "schlimmstmögliche Wendung" hin, auf der Suche nach dem raffiniertesten Schachmatt. Und auf der anderen Seite war es manchmal schon ein sich-abplagen mit einer Komödie wie zum Beispiel "Frank der Fünfte (Untertitel: Oper einer Privatbank)", 1959 uraufgeführt und eigentlich ein Misserfolg. Dieses Stück konnte er nicht loslassen, er hat es immer wieder neu überarbeitet mit dem Gefühl, die Menschen sähen nicht, was darin stecke. Er versuchte immer wieder, das Stück in eine Form zu bringen, die auch das Publikum überzeugt. Es ist ihm nicht gelungen. "Frank der Fünfte" hat zwar starke Szenen und ein gutes Konzept, aber als Theaterstück besitzt es nicht die gleiche Stringenz wie "Der Besuch der alten Dame".

F&L: In den ersten Jahren seiner Schriftstellerei befand sich Dürrenmatt in einer sehr prekären finanziellen Situation. Mit Hörspielen und Kriminalromanen hielt er sich über Wasser. Nach seinem Welterfolg "Der Besuch der alten Dame" und dem sehr erfolgreichen Stück "Die Physiker" gehörten finanzielle Schwierigkeiten endgültig der Vergangenheit an. Welche Rolle spielte Geld in Dürrenmatts Leben?

"Das Verrückteste war wahrscheinlich sein Weinkeller."

Ulrich Weber: Er hat es sehr genossen, Geld zu besitzen. Es verschaffte ihm kein schlechtes Gewissen, ein wohlhabender Mann zu sein. Er verdiente Millionen mit den Erfolgsstücken und zelebrierte den neuen Wohlstand in gewisser Weise, indem er sich große und teure Autos leistete, teure Zigarren rauchte und seiner Frau und sich Pelzmäntel kaufte. Das Verrückteste war wahrscheinlich sein Weinkeller, da lagerte er unglaubliche Schätze an teuersten Bordeaux-Weinen, die er allerdings relativ günstig kaufen konnte. Er hatte die gesamten Vorräte eines Weingutes im Bordeaux-Gebiet aufgekauft. Manchmal trank er 80- bis 100-jährige Weine mit seinen Freunden. Er meinte, es sei wichtig, das Geld, das er einnehme, auch wieder auszugeben, sonst hätte er keine Motivation mehr zum Schreiben, wenn er nicht Geld verdienen müsse. Das darf man jedoch nicht ganz wörtlich nehmen, weil man sich einen Dürrenmatt nicht vorstellen kann, der nicht schreibt, zeichnet oder malt. Er konnte nie genug bekommen, das lag in seinem Temperament, in seinem Wesen. Er musste wegen seiner Zuckerkrankheit streng Diät halten. Manchmal vergaß er das im Überschwang und fing an zu erzählen und Dinge zu essen, die ihm eigentlich verboten waren. Er war ein sehr lustvoller Mensch.

F&L: Was bedeutete Dürrenmatt Distanz zur Wirklichkeit?

Ulrich Weber: Distanz war eine zentrale Kategorie in seiner Ästhetik. So begründete er auch die Komödie: das sei die ideale Form der Distanz. Man sollte also nicht wie in der Tragödie mit der Figur mitleiden, sondern eine distanzierte Perspektive auf den Menschen bewahren. Dazu arbeitet er mit der Komödie, mit Ironie und Humor. Ein engagiertes Theater wie das von Bertolt Brecht oder Jean-Paul Sartre, das belehrend sein wollte, um das Publikum in eine bestimmte politische Richtung zu lenken, war nicht seine Sache. Das kritisierte Dürrenmatt sehr klar. Die politische Wirkungsweise eines Textes ließ sich seiner Überzeugung nach nicht berechnen. Ihm war wichtig, die Freiheit des Denkens durch die Distanz zu bewahren. Er wollte sich weder in religiösem noch politischem Sinn von einer bestimmten Seite vereinnahmen lassen.

F&L: Wie gut kam Dürrenmatt, der "Abenteurer des Geistes", mit sich selbst klar?

Ulrich Weber: Inwiefern Dürrenmatt ein glücklicher Mensch war, kann ich nicht beantworten. Er war glücklich im Rausch des Zeichnens, das war wohl das höchste Glück für ihn. Er äußerte einmal, das sei eine Rückkehr in die Kreativität des Kindes. Es war zu seinen Lebzeiten seine Privatsache und er musste sich nicht darum kümmern, wie seine gezeichneten und gemalten Werke beim Publikum ankamen. Es gab in seinem Leben viel geglückte Kreativität. Er kam auch sicher mit sich selbst gut zurande, er hatte sich akzeptiert in seiner Beschränktheit und Lächerlichkeit als Einzelmensch. Aber er war in gewisser Weise auch ein sehr einsamer Mensch, das drückte er auch in Bildern aus, indem er sich selbst als Minotaurus portraitierte. Der einzelne ist gefangen im Labyrinth und es bleibt immer die unüberwindbare Distanz zum anderen. Das ist ein starkes Bild für die Einsamkeit. Auch wenn er eine sehr intensive Beziehung insbesondere zu seiner ersten Frau Lotti hatte, blieb doch ein Gefühl der Einsamkeit bei ihm.

"Es geht immer wieder um die Rückkehr zum Einzelnen."

F&L: In seinem Essay "Vom Sinn der Dichtung in unserer Zeit" (1958) heißt es: "Die Welt wird ein ungeheurer technischer Raum werden oder untergehen. Alles Kollektive wird wachsen, aber seine geistige Bedeutung einschrumpfen. Die Chance liegt allein noch beim Einzelnen. Der Einzelne hat die Welt zu bestehen. Von ihm aus ist alles wieder zu gewinnen. Nur von ihm, das ist seine grausame Einschränkung." Eine ungeheuer aktuelle Aussage?

Ulrich Weber: Das könnte man heute genauso schreiben. Ein sehr interessanter Satz, der in einem ganz anderen historischen Kontext geäußert wurde und der vielleicht auch zeigt, was an ihm aktuell ist: Es geht immer wieder um die Rückkehr zum Einzelnen – gerade in einer Zeit, in der kollektiv technische Prozesse das Verhalten des einzelnen und seine Handlungsmöglichkeiten steuern und einschränken. Man kann Dürrenmatt durchaus als Apokalyptiker und Katastrophendenker bezeichnen. Aber für das Wunder der menschlichen Existenz war er voller Begeisterung. Das war für ihn die Chance, die es zu packen galt: zu erkennen, was für eine Chance,  ja Gnade es ist – ob es einen Gott gibt oder nicht – dass man diese Chance hat, im Leben zu stehen.