Das Foto zeigt eine Ansicht des Rathauses in Münster.
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Historikertag
Historiker: Vergleich mit "Weimarer Verhältnissen" ist schief

Die Neue Rechte droht die Demokratie auszuhöhlen, warnen Historiker vor ihrer Jahrestagung. Ihr Thema ist die gesellschaftliche Spaltung.

24.09.2018

Angesichts des Erstarkens der Neuen Rechten warnen zahlreiche führende Historiker vor einer Aushöhlung der Demokratie. "Die öffentliche Präsenz demokratiefeindlicher und antipluralistischer Äußerungen ist deutlich größer als in früheren Jahrzehnten", sagte der Potsdamer Geschichtswissenschaftler Frank Bösch der Deutschen Presse-Agentur vor dem 52. Deutschen Historikertag, der am Dienstagabend in Münster startet.

Als einer der größten geisteswissenschaftlichen Kongresse Europas wird sich die Tagung bis Freitag dem Thema "Gespaltene Gesellschaften" widmen. Mehr als 3500 Historiker und andere Fachleute kommen zusammen und befassen sich mit den gesellschaftlichen Polarisierungen der Vergangenheit. Beispielsweise beleuchten die Forscher die Rolle von Fremden seit der römischen Antike oder ungleiche Gesundheitschancen seit der Nachkriegszeit.

Ein Aspekt der Spaltung, zu dem die Historiker auch in einer Resolution Position beziehen möchten, sei die gewachsene starke Präsenz antipluralistischer Strömungen, die sich in den Wahlerfolgen rechtspopulistischer Parteien, im Internet und auf der Straße zeigten, sagte Bösch. Er ist Vize-Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands und Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam (ZZF).

"Bereits seit 1980 nehmen die Gewaltbereitschaft von Rechts und die verbale Aggressivität zu, sie haben nun jedoch eine neue Dimension erreicht", sagte Bösch. Demokraten müssten ihre Stimme erheben, in einen Dialog treten und der gesellschaftlichen Spaltung ihre moralischen Überzeugungen entgegensetzen. "Dabei sollte man sich jedoch nicht ebenfalls einer polarisierenden Sprache bedienen, sondern eine nüchterne Kommunikation wahren", sagte Bösch.

"Weimarer Verhältnisse", vor denen manche Stimmen mit Blick auf die Situation vor der Entstehung des sogenannten Dritten Reichs warnen, sieht er jedoch nicht: "Der Vergleich ist schief. Die Demokratie in der Bundesrepublik ist viel gefestigter, wir haben weder eine vergleichbare Wirtschaftskrise noch solche soziale Verwerfungen", sagte Bösch.

Was die Präsenz der AfD in den Parlamenten betrifft, rät der Historiker zu Gelassenheit. "Unsere Demokratie kann und muss die AfD aushalten, gerade das gehört zur Demokratie." In der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik seien rechte Parteien immer wieder wellenartig aufgetaucht, hätten sich radikalisiert, zersplittert und seien wieder verschwunden. Wie lange der Erfolg der AfD anhält, sei somit offen.

dpa