Welt-Polio-Tag
So steht es um den Kampf gegen Kinderlähmung
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den 24. Oktober zum Welt-Polio-Tag erklärt - mit dem Ziel einer weltweiten Ausrottung der Kinderlähmung. Das vor 35 Jahren von der WHO zusammen mit Partnern beschlossene Ziel, die auch Poliomyelitis genannte Erkrankung auszumerzen, ist bisher nicht erreicht worden.
Im Jahr 2022 habe es in Teilen Pakistans und Afghanistans einen Anstieg erfasster Infektionen mit Poliowildviren (WPV) gegeben, meldet das RKI in einem Epidemologischen Bulletin. Ein noch größeres Problem stellten in den letzten Jahren aber Infektionen mit sogenannten vakzineabgeleiteten Polioviren (cVDPV) dar.
Für 2022 sind laut Bulletin weltweit 880, für 2023 bisher 305 solche Fälle erfasst. Sie treten vor allem in Gebieten auf, in denen ein hoher Anteil der Bevölkerung ungeimpft ist.
"Die abgeschwächten Viren in der Schluckimpfung können lange Zeit unentdeckt zirkulieren, sich dabei verändern und schließlich wieder akute schlaffe Lähmungen verursachen", heißt es beim RKI. Durch die sehr niedrige Zahl mit Symptomen assoziierter Fälle werde bei einer nachgewiesenen Erkrankung jeweils mit etwa 200 weiteren, nicht erkannten Infektionen gerechnet.
Routine-Impfungen wie die gegen Polio wurden in den Pandemie-Jahren in vielen Ländern unterbrochen. Afrikanische Länder seien aufgrund niedriger Impfquoten besonders von cVDPV-Infektionen betroffen, hieß es vom RKI. Die Schluckimpfung wird beispielsweise in Afrika, Asien und auch in Israel noch verwendet, während in den USA, Großbritannien und Deutschland schon seit längerem mit inaktiviertem Impfstoff gearbeitet wird, der keine lebensfähigen Viren enthält.
Kinderlähmung in Deutschland
In Deutschland wurde der letzte Fall einer Polio-Infektion im Jahr 1992 nachgewiesen. Laut Robert-Koch-Instituts (RKI) sei es weiterhin wichtig, Kinder gegen die gefährliche Krankeit impfen zu lassen.
"Die Impfung ist solange notwendig, bis die Eradikation der Poliomyelitis erreicht ist und nirgendwo auf der Welt mehr Polioviren zirkulieren", schreibt das RKI auf seiner Internetseite. Entscheidend zur Auslöschung der Polio-Viren sei nämlich eine hohe Impfquote in der Bevölkerung, erläutert das RKI.
Um eine Zirkulation des Virus zu verhindern, müsse die Quote idealerweise bei über 95 Prozent liegen. "Die Impfquote in Deutschland für drei Dosen Polioimpfstoff liegt für Kinder im Alter von 15 Monaten bei 90,1 Prozent."
Vor rund einem Jahr traten Fälle von Polio im US-Bundesstaat New York auf, besonders in Regionen mit niedriger Impfquote, die teilweise nur bei 60 Prozent lag. Die Erreger tauchten im Abwasser des Bundesstaates auf. Inzwischen seien nun schon länger keine Erreger mehr gefunden worden, teilten die Gesundheitsbehörden mit. Der Ausbruch sei eingedämmt.
Auch in London war im Jahr 2022 ein Fall von Polio nachgewiesen worden, obwohl Großbritannien schon als Polio-frei gegolten hatten.
Polio: Krankeit mit ernsthaften Folgen
Die Erkrankung, die oft über kontaminierte Hände als sogenannte Schmierinfektion oder über verunreinigtes Wasser verbreitet wird, kann Lähmungen auslösen und zum Tod führen, vor allem Kleinkinder können dauerhafte Lähmungen davontragen. Eine Heilung gibt es bisher nicht.
Vor Einführung von Schutzimpfungen gab es allein in Deutschland tausende Erkrankte und hunderte Todesfälle jährlich. Durch die 1988 initiierten weltweiten Impfkampagnen konnten bis heute rund 20 Millionen Menschen vor einer Lähmung und anderthalb Millionen vor dem Tod bewahrt werden, wie es bei der WHO heißt. Inzwischen allerdings liegen die Impfquoten vielerorts viel zu niedrig. In Deutschland werden Babys ab zwei Monaten geimpft.
Immunologin erhält Virchow-Preis in Berlin
Auch im Bereich Globale Gesundheit bleibt Polio ein wichtiges Thema. Mitte Oktober erhielt Professorin Rose Gana Fomban Leke den Virchow-Preis für Globale Gesundheit im Roten Rathaus in Berlin für ihren Einsatz gegen Infektionskrankheiten wie Polio und Malaria. Leke ist emeritierte Professorin für Immunologie und Parasitologie an der Universität Yaoundé in Kamerun. Sie nahm die mit 500.000 Euro dotierte Auszeichnung am 14. Oktober in Berlin entgegen. Geehrt wurde sie auch für ihren Einsatz für Geschlechtergleichstellung, wie die Virchow Foundation mitteilte.
Der Virchow-Preis für Globale Gesundheit von der Virchow Foundation wurde vergangenes Jahr zum ersten Mal verliehen und steht unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Der Preis würdigt "Innovationen von herausragender Bedeutung mit positiven und nachhaltigen Auswirkungen auf das weite Feld der Globalen Gesundheit".
In Forschung & Lehre 9/23 widmet sich die Redaktion im Schwerpunkt dem Thema "Global Health". Dabei geht es um gesundheitliche Chancengleichheit weltweit. Mit den Herausforderungen und Zielen von "Global Health" befassen sich in der Printausgabe
- Professor Dr. Eva Refuess
- Professor Dr. Jonas Schreyögg
- Professor Dr. Johanna Hanefeld
- Dr. Sophie Müller
- Professor Dr. Walter Karlen
- Dr. Matthias Havemann
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Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels vom 23.10.2023.
dpa/cle