Die russische und die chinesische Flagge sind gekreuzt übereinander gelegt zu sehen mit einem großen Fragezeichen darüber.
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Ukraine-Krieg
Russlands Invasion wirkt sich auf Kooperationen aus

Die Ukraine hat den Wissenschafts-Austausch mit dem Westen intensiviert. Russland bleibt fast nur China als Partner.

23.02.2024

Zwei Jahre nach der Invasion Russlands in die Ukraine zeigten sich auch die Auswirkungen auf die Wissenschaft, berichtet "Science Business" auf Basis von Daten aus der ELSEVIER-Datenbank "Scopus Preview". Die Ukraine habe ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Westen, insbesondere mit Polen und Deutschland, weiter ausgebaut. In Russland sei das Gegenteil der Fall: Der Anteil der deutschen und US-amerikanischen akademischen Zusammenarbeit sei bereits vor dem Krieg rückläufig gewesen, aber die Invasion scheine den Rückgang noch massiv verschärft zu haben. 

Dadurch sei China in den vergangenen Jahren zum größten wissenschaftlichen Kooperationspartner Russlands geworden. Der Anteil russischer Publikationen, die gemeinsam mit China verfasst würden, sei stetig gestiegen. Er übersteige seit 2023 die Anzahl der Veröffentlichungen mit den USA und Deutschland, obwohl die absolute Zahl gemeinsamer Publikationen mit China scheinbar stagniere. 

Wissenschafts-Kooperationen mit dem Westen rückläufig 

"Die Beziehungen zu China nehmen eigentlich nicht so stark zu, es sind nur die Beziehungen zum Westen, die schrumpfen", sagte Andrey Kalinichev, der zur Leitung der unabhängigen Website über russische Wissenschaft "T-Invariant" gehört. Laut Science Business sei dieser Rückgang der westlichen Zusammenarbeit mit Russland nicht überraschend, da zahlreiche europäische Länder eine Reihe wissenschaftlicher Sanktionen gegen Russland verhängten und gemeinsam offizielle Projekte stoppten. 

"Die Beziehungen zu China nehmen eigentlich nicht so stark zu, es sind nur die Beziehungen zum Westen, die schrumpfen"
Andrey Kalinichev, Co-Leitung der unabhängigen Website über russische Wissenschaft "T-Invariant"

Die EU warf beispielsweise russische Partner aus Horizon-Europe-Projekten. Außerdem erschwerten Sanktionen die Zusammenarbeit mit Russland. Auch wenn sie nicht verboten sei, herrsche laut Kalinichev in Russland ein Klima der Angst, da immer mehr Forschende wegen angeblicher Weitergabe von Geheimnissen an Ausländer strafrechtlich verfolgt würden, das sei eine "offensichtliche Entmutigung". 

Es handele sich um einen dramatischen Rückgang von Wissenschaftskollaborationen zwischen Russland und dem Westen. Seit den 2000er Jahren habe sich der Anteil deutscher Forschender, die an russischen Arbeiten mitgewirkt haben, halbiert. Das gleiche gelte für die USA. 

Und er könne noch weiter fallen. Denn es könne Jahre dauern, bis die Ergebnisse eines gemeinsamen Projekts in einer Zeitschrift veröffentlicht würden. Das bedeutet, dass viele 2023 veröffentlichten gemeinsamen Arbeiten Ergebnisse von Forschungsarbeiten sind, die vor der Krieg begonnen worden wären, sodass es noch dauern könnte, bis deren Einfluss sich in den Daten final niederschlage. 

Einige Kooperationen mit Europa für Russland unmöglich 

China hätte Russland laut "Science Business" während seiner Invasion Unterstützung angeboten, so dass die Zusammenarbeit relativ, wenn auch nicht absolut, zugenommen habe. Denn 2023 hätten Russland und China 3.280 gemeinsame Papiere veröffentlicht und damit fast 300 weniger als im Vorjahr. Diese Zahl für 2023 werde wahrscheinlich um ein paar Hundert nach oben korrigiert, wenn die allerletzten Daten für das letzte Jahr bekannt würden. 

Aber das Bild sei eher von einer stetigen Zusammenarbeit als von einem Anstieg des Engagements geprägt. China habe seinen Anteil an Veröffentlichungen nur gesteigert, weil die Gesamtzahl russischer Artikel im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen sei. "Was China betrifft, gab es schon immer eine Zusammenarbeit, aber jetzt sind einige Kooperationen mit Europa unmöglich, also müssen die Menschen etwas unternehmen und mehr mit China zusammenarbeiten", sagte Alexander Nozik, Physiker am Moskauer Institut für Physik und Technologie gegenüber Science Business. 

"Was China betrifft, gab es schon immer eine Zusammenarbeit, aber jetzt sind einige Kooperationen mit Europa unmöglich."
Alexander Nozik, Physiker am Moskauer Institut für Physik und Technologie

Die russische Regierung habe die akademische Zusammenarbeit mit China nicht direkt gefördert, sondern stattdessen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor einer Zusammenarbeit mit "unfreundlichen Ländern" im Westen gewarnt, so Nozik zu Science Business. Die Folge: Forschende hätten sich von akademischen Konferenzen zurückgezogen, weil dort Verbindungen zu Kollegen dieser Länder geknüpft werden könnten. 

Während Noziks Institut unter direkten US-Sanktionen stehe und jegliche Forschungszusammenarbeit blockiert sei, hätten chinesische Unternehmen, wie Huawei, ihre Forschungsaktivitäten in Russland intensiviert. Anders sei es mit Indien, mit dem seit 2023 die russischen Verbindungen ins Stocken geraten seien. Und das obwohl sie seit der Jahrtausendwende stetig gewachsen seien und der Subkontinente in dem Konflikt eine weitgehend neutrale Haltung einnehme. 

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Ukraine kooperiert mehr mit den USA und Europa 

Ganz anders sei die Situation gemäß "Science Business" in der Ukraine. Dort sei es Forschenden trotz Vertreibung, Zerstörung von Forschungsinstituten und Militärdienst gelungen, im Jahr 2023 fast 15.000 Arbeiten zu veröffentlichen, was wahrscheinlich, sobald die letzten paar Prozent der Daten vorlägen, einen kleinen Anstieg gegenüber 2022 darstellen werde. Dabei habe die Zusammenarbeit mit Forschenden aus Russland drastisch abgenommen. 

Kein Wunder, denn von einer Zusammenarbeit mit russischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werde "sowohl auf institutioneller, als auch auf staatlicher Ebene kategorisch abgeraten", sagte Olga Polotska, Geschäftsführerin der Nationalen Forschungsstiftung der Ukraine. "Selbst wenn wir an eine Zusammenarbeit zwischen Forschenden denken, ist dies inakzeptabel, weil russische Forschende an russische Institutionen angeschlossen und somit Teil des Systems und der Ideologie des nicht provozierten Krieges gegen die Ukraine sind", sagte sie. 

Und wie steht’s um Kooperationen zu China? Laut Polotska würden sie weder "gefördert noch entmutigt." Da China Ressourcen in die Verbesserung seiner globalen akademischen Verbindungen investiere, "entwickelt sich die Zusammenarbeit mit China auf natürliche Weise", sagte sie. Gleichzeitig habe die Ukraine seit Kriegsbeginn die Zusammenarbeit mit den USA und europäischen Ländern intensiviert. 

Insbesondere mit Polen, dem mittlerweile stärksten internationalen Forschungspartner der Ukraine. Dies liege zum Teil daran, dass nach Kriegsbeginn viele Forschende, vor allem Frauen, nach Polen geflohen und polnische Universitätszugehörigkeiten erhalten hätten, so Polotska. Zudem wäre Polen auch eines der ersten Länder, das ukrainischen Forschenden Unterstützung angeboten hätte. "Polen wurde zum Flüchtlingslager für Forschende aus der Ukraine", sagte sie.

kfi