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Kommentar
Wilde Jagd

Der Wissenschaft bleibt keine Luft mehr zum Atmen. Die schon vor Jahren geforderte Entschleunigung ist ausgeblieben, aber dringender denn je.

Von Felix Grigat 23.06.2023

Hochschulen und Wissenschaft sind seit vielen Jahren einem enormen Beschleunigungsdruck ausgesetzt. Unablässig wird publiziert, beantragt, begutachtet. Das "Heute", das "Jetzt um jeden Preis" nimmt der Wissenschaft die Luft zum Atmen. Niemand kann sich bilden und die Wahrheit suchen, der zugleich Drittmitteln und Publikationen nachjagt, der allenthalben Startschüsse hört und Stoppuhren erwartet, die ihm sagen: "Wirf alles weg von Dir, Nachdenken, stille Besinnung sonst kommst Du zu spät in den Zeitexpreß hinein." (Kierkegaard).

So verfehlen die Universitäten ihren Kern: Bildung und Wahrheit um ihrer selbst willen zu suchen und in der universitären Lebenswelt zu verwirklichen. Das überhitzte Wissenschaftssystem braucht dringend "eine Entschleunigungsstrategie, die den Forschenden wieder die Möglichkeit zur kritischen Reflexion verschafft". Diese Forderung eines profilierten Kreises von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, vor knapp einem Jahrzehnt formuliert, ist aktueller denn je.

Die Entschleunigung des notwendig von Irrtümern begleiteten Prozesses der Wissenschaft sei eine Aufgabe geworden, die anderen Weltproblemen (Klima, Energie und Wasserprobleme) in nichts mehr nachstehe, hat es Wolfgang Frühwald vor Jahren auf den Punkt gebracht.


Dieser Kommentar ist zuerst in der Juni-Ausgabe von "Forschung & Lehre" erschienen.