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dpa

Wissenschaftsfreiheit
Wissenschaftler sehen Political Correctness kritisch

Eine aktuelle Umfrage zeigt, wie Hochschullehrer ihre Freiheit wahrnehmen. Immer mehr verspüren Druck durch ein Meinungsklima.

18.11.2021

Trotz der vieldiskutierten, in Einzelfällen beobachteten Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit fühlen sich die meisten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer in ihrer Forschung und Lehre nach wie vor frei. Allerdings haben in jüngster Zeit mehr Lehrkräfte das Gefühl, unter dem Druck des Meinungsklimas an Hochschulen zu stehen. Das geht aus einer deutschlandweiten Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach hervor, die der Deutsche Hochschulverband (DHV) und die Konrad-Adenauer-Stiftung in Auftrag gegeben haben. Teilgenommen hatten daran Anfang Oktober rund 1.000 Universitätsprofessorinnen und -professoren sowie wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Ergebnisse wurden am Donnerstag bei einer Online-Diskussionsveranstaltung veröffentlicht.

Demnach sehen sich aktuell 40 Prozent der Befragten in dem Gefühl bestätigt, "in ihrer Lehre durch formelle oder informelle Vorgaben zur Political Correctness stark oder etwas eingeschränkt" zu werden. 18 Prozent der Lehrkräfte sagten zudem, "Political Correctness verhindere es, dass man bestimmten Forschungsfragen nachgehen könne". In einer frühreren Umfrage von 2019/20 habe der Anteil noch bei 31 Prozent beziehungsweise 13 Prozent der Befragten gelegen. Insbesondere unter Lehrenden der Geistes- und Sozialwissenschaften habe sich der Eindruck verstärkt: Aktuell sehe über die Hälfte Lehre und Forschung eingeschränkt, zuvor war es gut ein Drittel.

Die Umfrage deute laut Mitteilung zudem einen Generationenunterschied an, etwa im Selbstverständnis als Wissenschaftler oder Wissenschaflerin: So sagten Befragte unter 40 Jahren deutlich häufiger als Über-50-Jährige, es sei eine der Aufgaben der Wissenschaft, "den gesellschaftlichen Fortschritt voranzutreiben" (61 gegenüber 50 Prozent) oder "öffentliche Debatten anzustoßen" (47 zu 39 Prozent). Zudem sagten 40 Prozent der jüngeren Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, aber nur 21 Prozent der älteren, dass bei der Berufung auf Professuren mit entscheidend sein sollte, "dass eine ausgewogene Mischung von Männern und Frauen, Älteren und Jüngeren, Menschen unterschiedlicher Herkunft und so weiter" erreicht werde.

Der DHV und die Konrad-Adenauer-Stiftung schließen aus der Umfrage, dass die Universitäten "insgesamt von jener in der Öffentlichkeit oft vermuteten Atmosphäre der Intoleranz entfernt" seien, wohl aber eine "Tendenz zur allmählichen Politisierung und Verschärfung des Klimas an den Hochschulen" erkennbar sei.

ckr

1 Kommentar

  • Henrik Rubner Bei der Lektüre der Studienergebnisse fallen mindestens zwei Punkte auf, die methodisch fragwürdig sind: Erstens wurden nur die Professor*innen mit einer repräsentativen Stichprobe ausgewählt, die wissenschaftlichen Mitarbieter*innen aber nur aus den DHV-Mitgliedern. Die Antworten werden dann aber bei den meisten Fragen nicht getrennt angegeben. Zweitens werden hier wieder einmal Fragen der Wissenschaftsfreiheit (z.B. Rüstungsforschung, Embryonenforschung) mit Fragen zur politischen Haltung (z.B. gegenüber Israel oder dem Islam) vermischt. Damit wird das Phänomen "Political Correctness" im Rahmen der Umfrage sehr unklar gefasst und ein grundsätzliches Problem der Debatte reproduziert.