Prof. Dr. Joachim Heberle
TU Berlin/Phil Dera

Pseudo-Journale
"Wissenschaftler sollten Zeitschriften ihres Fachgebiets kennen"

Journalisten haben das Ausmaß des Geschäfts von Raubverlagen aufgedeckt. Professor Dr. Joachim Heberle erklärt, wie sich Forscher schützen können.

Von Katrin Schmermund 23.07.2018

Forschung & Lehre: Herr Professor Heberle, Sie sind Mitglied des Gremiums "Ombudsman für die Wissenschaft" und beraten Forschende zur guten wissenschaftlichen Praxis. Worauf sollten diese achten, wenn sie eine Zeitschrift zur Veröffentlichung in den Blick nehmen?

Joachim Heberle: Zunächst einmal sollten sie auf die Veröffentlichungshinweise der Zeitschrift achten. Meist gibt es sehr strikte Vorgaben. Fehlen diese, sollten Wissenschaftler schon einmal skeptisch werden. Dasselbe gilt, wenn kein Peer-Review-Verfahren vorgesehen ist. Auch ein fehlender Impact-Faktor kann ein Hinweis für eine pseudo-wissenschaftliche Zeitschrift sein. In der Regel tauchen solche Zeitschriften erst gar nicht in den Datenbanken wissenschaftlicher Zeitschriften auf.

F&L: Wie sieht es aus, wenn es ein Peer-Review-Verfahren gibt, der Artikel aber so gut wie kommentarlos vom Gutachter zurückkommt?

Joachim Heberle: Das ist völlig untypisch. Dasselbe gilt, wenn ich die Rückmeldung innerhalb weniger Sekunden oder Minuten erhalte. Dann kann meine Arbeit nicht gelesen worden sein, sondern ist ein Verlag nur darauf bedacht, möglichst schnell seine Rechnung zu stellen. Ich kann allerdings kaum nachvollziehen, wie Wissenschaftler überhaupt in eine solche Situation geraten können.

F&L: Inwiefern?

Joachim Heberle: Als ernsthafter Wissenschaftler sollte ich die relevanten Zeitschriften meines Fachgebiets kennen. Selbst wenn ich noch nicht in ihnen publiziert habe, stoße ich beim Lesen anderer Studien in den Literaturhinweisen ständig auf sie. Außerdem publiziere ich ja kaum alleine, das heißt, ich arbeite üblicherweise in einem Team mit erfahrenen Wissenschaftlern zusammen, die sich auskennen sollten. Zum Publizieren gehört immer, dass man sich zusammensetzt und darüber austauscht, in welcher Zeitschrift man warum publizieren will und welche Anforderungen diese stellt. Verständnis habe ich allenfalls für junge Wissenschaftler, die alleine publizieren und nicht beraten wurden. Dabei gehört ein "Mentoring" zu den Aufgaben von Professorinnen und Professoren. Sie müssen ihre Nachwuchswissenschaftler angemessen vorbereiten.

F&L: Einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen ganz bewusst in solchen Raubverlagen publiziert haben – als Folge des zunehmenden Konkurrenzdrucks in der Wissenschaft. Vor allem junge Wissenschaftler täten alles, um die Zahl ihrer Publikationen in die Höhe zu treiben, so die Erklärung. Damit missachten sie jedoch die eigentlichen Werte des Jobs, in dem sie eigentlich Karriere machen wollen…

Joachim Heberle: Der eigentliche Sinn des Publizierens liegt ja auch darin, seine Ergebnisse der wissenschaftlichen Community zugänglich zu machen und das tut man nicht, wenn man in Zeitschriften publiziert, die von Kolleginnen und Kollegen nicht gelesen werden. Es zählt auch nicht nur die Zahl der veröffentlichten Artikel, sondern auch die Relevanz der Zeitschriften. Mit pseudowissenschaftlichen Zeitschriften kommt man ohnehin nicht weit. Es ist naiv und verwerflich auf die Angebote solcher Verlage einzugehen. Ich fürchte, dass die zunehmende Bedeutung von "Open Access" den Verlagen leider noch mehr Zulauf verschaffen könnte. Sie werben mit solchen Signalwörtern. Das kann unerfahrene Wissenschaftler dazu bringen, auf ihre Angebote einzugehen.

Wissenschaftliches Publizieren: Wo es Informationen gibt

Das "Web of Science", auch "ISI Web of Knowledge", ist ein kostenpflichtiges Angebot mit mehreren wissenschaftlichen Online-Zitations- und Literaturdatenbanken. Aus dem Netzwerk vieler Hochschulen können Wissenschaftler kostenfrei auf ausgewählte Datenbanken zugreifen. Das Angebot wurde vom Institute for Scientific Information (ISI) entwickelt, dann von Thomson Reuters und zuletzt von Clarivate Analytics gekauft.

Auch die Plattform "Journal Guide" ist eine nützliche Hilfe, um sich über Zeitschriften, ihren Impact-Faktor und Veröffentlichungsvorgaben zu informieren. Die kostenfreie Datenbank wird von "Research Square" finanziert, einem Unternehmen, dass Wissenschaftler darin unterstützt, ihre Studien unter einem möglichst großen Publikum zu verbreiten.

Sogenannte "Black Lists" informieren über Zeitschriften, von denen man für eine seriöse Publikation besser die Finger lassen sollte. Dazu gehören die "Beall's List" und "Cabell's List".

Das "Journal Evaluation Tool" ist eine von Wissenschaftlern entwickelte Checkliste, mit der Forscherinnen und Forscher nach zahlreichen Kriterien beurteilen können, ob eine Zeitschrift als gut, mittelmäßig oder schlecht einzuordnen ist.

Auch "Think Check Submit" will Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern helfen, die Vertrauenswürdigkeit und Seriosität einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu überprüfen.

Die HU Berlin hat hilfreiche Informationen rund um das "predatory publishin" zusammengestellt.

"Cope", eine gemeinnützige Gesellschaft zur Veröffentlichungsethik in der Wissenschaft, diskutiert Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens und informiert darüber, wie ethische Standards in der Veröffentlichungspraxis eingehalten werden können.

Und auf der Website "Retraction Watch" finden sich zahlreiche Blog-Beiträge rund um wissenschaftliches Fehlverhalten.

F&L: Was kann man gegen solche Verlage tun?

Joachim Heberle: Als Wissenschaftler ziemlich wenig – oder auch viel. Man darf schlicht nicht auf sie eingehen und ihnen damit ihre Geschäftsgrundlage nehmen. Ich bekomme pro Tag bestimmt fünf Anfragen solcher Verlage. Oft erkenne ich sie direkt daran, dass ich trotz korrekter E-Mail-Adresse mit einem anderen Namen angeschrieben werde. Das liegt daran, dass in meinem Wissenschaftsbereich zumeist der letztgenannte Autor als Kontaktperson aufgeführt wird. Die Anbieter filtern diese E-Mail-Adresse aus der Liste der Autoren, verwenden aber den erstgenannten Namen für die Ansprache.

F&L: Ist der Ruf einmal weg, ist es schwer, wieder Vertrauen in der Öffentlichkeit aufzubauen. Die Berichte über das Geschäft der Raubverlage und die Wissenschaftler, die auf diese eingehen, wurde über verschiedene Medien breit gestreut. Was muss sich in der Wissenschaft ändern, um die eigene Relevanz in der Gesellschaft zu sichern?

Joachim Heberle: Ich glaube, dass das Veröffentlichungswesen in der Wissenschaft an sich gut geregelt und erfolgreich ist. Das Peer-Review-Verfahren hat sich trotz punktueller Kritik über Jahre bewährt. Ich finde es gut, dass das Ausmaß solcher Raubverlage bekannt geworden ist, aber es bedeutet kein Versagen des Wissenschaftssystems als solches. Forscher dürfen solchen Betrügern, die versuchen, das System auszunutzen, einfach keinen Zulauf mehr bieten.

Selbstkontrolle in der Wissenschaft

Die Mitglieder des Gremiums "Ombudsman für die Wissenschaft" sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur guten wissenschaftlichen Praxis beraten. Es ist 1999 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingerichtet worden.

Zur Zeit gehören dem Gremium an:

  • Herr Prof. Dr. Stephan Rixen, Universität Bayreuth (Sprecher)
  • Herr Prof. Dr. Joachim Heberle, Freie Universität Berlin
  • Frau Prof. Dr. Daniela N. Männel, Universitätsklinikum Regensburg
  • Frau Prof. Dr. Renate Scheibe, Universität Osnabrück