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Wissenschaftliches Publizieren
Anonymisiertes Peer-Review-Verfahren ist fairer

Unbewusste Voreingenommenheiten beeinflussen, wie Gutachtende Forschungsergebnisse bewerten. Ein anonymisiertes Peer-Review-Verfahren würde helfen.

31.05.2023

Durch unbewusste positive Diskriminierung bewerten Gutachterinnen und Gutachter im Peer-Review-Verfahren Publikationen von Forschenden aus reicheren, englischsprachigen Ländern besser als solche von Forschenden aus einkommensschwächeren, nicht-englischsprachigen Ländern. Wenn die Reviewer keine Informationen über die Identität und Zugehörigkeit der Autorinnen und Autoren erhalten, sind unbewusste Voreingenommenheiten unwahrscheinlicher und das Peer-Review-Verfahren dadurch fairer, als wenn diese Informationen verfügbar sind. Das geht aus einer Studie zum Peer-Review-Verfahren in der Ökologie hervor, die kürzlich in der Fachzeitschrift "Functional Ecology" erschienen ist. Zuerst berichtete das Fachmagazin "Nature" über die Studienergebnisse.

Die Anonymisierung der Autorinnen und Autoren beseitigt demnach die Auswirkungen von Voreingenommenheiten von Gutachterinnen und Gutachtern. Die Studie umfasste rund 3.700 Manuskripte, die Forschende zwischen 2019 und 2022 bei "Functional Ecology" einreichten. Diese wurden nach dem Zufallsprinzip mit (single blind) oder ohne (double blind) Informationen über die Autorinnen und Autoren an die Reviewer weitergereicht. Die Auswertung nach Ablauf des Peer-Review-Prozesses ergab, dass Gutachtende die Arbeiten generell besser bewerteten, wenn sie die Autorenidentitäten kannten. Eine positive Bewertung war dann insgesamt um 15 Prozent wahrscheinlicher.

Welche Forschende vom "Prestige Bias" profitieren

Besonders profitierten Forschende aus wohlhabenden, englischsprachigen Ländern wie den USA von einem nicht-anonymisiertem Review-Verfahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Artikel zur Begutachtung angenommen wurden, war in diesem Fall um 68 Prozent höher als bei Artikeln von Autorinnen und Autoren aus weniger wohlhabenden Ländern. Sie erzielten außerdem bessere Bewertungen und wurden häufiger gebeten, ihre Manuskripte erneut einzureichen. Wenn die Reviewer hingegen die Identität der Forschenden nicht kannten, zeigte sich nur ein geringer Unterschied in deren Bewertung.

Die Studienautorinnen und -autoren interpretieren ihre Ergebnisse so, dass Forschende aus wohlhabenden Ländern im Peer-Review-Verfahren von einem "Prestige Bias" profitieren. Der Begriff umschreibe, dass Gutachtende von Forschenden aus bestimmten Institutionen oder Ländern Arbeiten mit hoher Qualität erwarten und sie respektieren.

Als Reaktion auf die Studie kündigte die britische Fachgesellschaft für Ökologie, die "British Ecological Society", Anfang April an, künftig in den sieben von ihr herausgegebenen Fachzeitschriften – darunter "Functional Ecology" – ein doppelblindes beziehungsweise anonymisiertes Peer-Review-Verfahren einsetzen zu wollen.

Kein "Gender Bias" im Peer Review

Nebenbei widerlegte die Studie die Annahme von geschlechtsspezifischen Voreingenommenheiten, sogenannten "Gender Bias": Manuskripte von Autorinnen wurden demnach durchschnittlich gleich bewertet wie die von Autoren, unabhängig davon, ob den Reviewern die Identität und das Geschlecht der Forschenden bekannt war oder nicht.

ckr