Nahaufnahme einer Hand, die mit einem Rotstift Fehler in einem Manuskript korrigiert
mauritius images / Andriy Popov / Alamy / Alamy Stock Photos

Status-Bias im Peer-Review-Verfahren
Kollegen beurteilen prominente Forschende besser

Gutachter bewerten Publikationen von renommierten Forschenden besser als solche von wissenschaftlich Unbekannten. Am Inhalt liegt es nicht.

10.10.2022

Forschungsarbeiten von renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werden trotz gleicher Qualität im Peer-Review-Verfahren deutlich besser bewertet als Arbeiten weniger bekannter Forschender. Zu diesem Ergebnis kommt ein Wissenschaftlerteam um Professor Jürgen Huber von der Universität Innsbruck in einer aktuellen Studie. Die Ergebnisse sieht das Forschungsteam als wichtigen Anstoß dafür, das Begutachtungsverfahren wissenschaftlicher Arbeiten zu überdenken.

Um Ungleichbehandlungen im Begutachtungsprozess von Artikeln in wissenschaftlichen Fachzeitschriften zu untersuchen, führte das Forschungsteam ein Experiment durch: Sie reichten beim "Journal of Behavioral and Experimental Finance" einen wissenschaftlichen Artikel zur Begutachtung ein, den Professor Vernon Smith, Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 2002, gemeinsam mit dem Nachwuchswissenschaftler Sabiou Inoua verfasst hatte. Professor Stefan Palan, Herausgeber der Fachzeitschrift und Mitglied des Forschungsteams, verteilte den Artikel an über 3.300 Fachgutachterinnen und Fachgutachter, von denen 534 die Einladung annahmen.

Dabei erhielten die Gutachterinnen und Gutachter denselben Artikel, allerdings unterschiedliche Informationen über die Autoren. Die erste Gruppe erhielt keinerlei Informationen zu den Autoren. Von diesen Gutachterinnen und Gutachtern haben 48 Prozent empfohlen, den Fachartikel nicht zu publizieren. Eine andere Gruppe an Gutachterinnen und Gutachtern erfuhr, dass einer der Autoren der Nobelpreisträger Smith war. Von ihnen empfahlen nur rund 23 Prozent eine sofortige Ablehnung des Artikels. In der dritten Gruppe, die erfuhr, dass einer der Autoren der Doktorand Inoua war, lag dieser Anteil hingegen bei über 65 Prozent.

"Unsere Ergebnisse zeigen damit deutlich, dass die unterschiedlichen Informationen über den Verfasser die Bewertung der Qualität des Forschungsartikels stark beeinflussen", sagte Huber. Die Forschenden führen diesen Status-Bias im Verhalten der Gutachterinnen und Gutachter auf den aus der Sozialpsychologie bekannten "Halo-Effekt" zurück, wonach Handlungen und Werke von Personen, von denen man einen positiven Eindruck habe, grundsätzlich positiver wahrgenommen würden als jene von Unbekannten oder von Personen, denen man weniger zutraue.

Smith und Inoua forschen beide an der Chapman University in den USA. Die Studienautoren halten es daher für am wahrscheinlichsten, dass die unterschiedliche Prominenz der beiden Forscher zu den unterschiedlichen Bewertungen ihres identischen Artikels geführt hat, nicht jedoch deren Geschlecht oder Institution. Sie weisen aber auch darauf hin, dass möglicherweise die unterschiedliche Hautfarbe oder Herkunft der Namen der beiden Forscher eine Rolle bei bewussten oder unbewussten Voreingenommenheiten der Gutachterinnen und Gutachter spielen könnten, die in der Studie jedoch nicht untersucht wurden.

ckr