Ein Stempel liegt auf einem aufgeschlagenen, dicken Aktenordner.
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Wissenschaftsfreiheit
EU-Transparenz-Richtlinie könnte zusätzliche Bürokratie bedeuten

Ende 2023 entstand eine EU-Direktive, die ausländische Interessensvertretung sichtbar machen soll. Dies betrifft auch Forschungskooperationen.

24.01.2024

Der im Dezember von EU-Parlament und Europarat vorgeschlagene Entwurf für eine Transparenzrichtlinie hat das Ziel, Tätigkeiten aus dem Ausland durch ein Register sichtbar zu machen, "die darauf abzielen, die Entwicklung, Formulierung oder Umsetzung von Politik oder Gesetzgebung oder den öffentlichen Entscheidungsprozess in der Union zu beeinflussen". Es bestehe laut Richtlinie andernfalls die Gefahr, dass die Interessenvertretung im Namen von Drittländern verdeckt durchgeführt wird und als Kanal zur Einmischung in die Demokratien der Union missbraucht wird. 

Die Direktive sieht sich als Ergänzung zu bestehenden Gesetzen beispielsweise zur Transparenz bezüglich ausländischer Aktivitäten der Interessensvertretung bei politischer Werbung oder bei digitalen Diensten. Der Entwurf ist nach eigenen Angaben das Ergebnis aus der Sichtung zahlreicher Studien zum Thema sowie von zahlreichen Konsultationen mit Interessengruppen, die von der Richtlinie direkt betroffen sind. 

Gemäß Wortlaut der geplanten Richtlinie sind etliche Grundrechtseinschränkungen vorgesehen: "Der Vorschlag sieht begrenzte Einschränkungen der folgenden Grundrechte vor, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (…) verankert sind: das Recht auf Privatleben (Artikel 7), das Recht auf Schutz personenbezogener Daten (Artikel 7). 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 12), die Freiheit der Künste und Wissenschaften (Artikel 13), die Meinungs- und Informationsfreiheit (Artikel 11) und die unternehmerische Freiheit (Artikel 16)." 

Gefahr für die wissenschaftliche Freiheit von Wissenschaftlern befürchtet 

Universitäten und Forschungseinrichtungen befürchten nun, dass sie viele ihrer Forschungsvorhaben registrieren lassen müssen und eine Art stigmatisierendes Register entstehen könnte. Schließlich heißt es in der Direktive in Absatz 19 sinngemäß, dass die akademische Freiheit und die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung gewahrt bleibe: "es sei denn, der eindeutige Zweck dieser Aktivitäten besteht darin, die Entwicklung, Formulierung oder Umsetzung von Richtlinien oder Gesetzen oder öffentliche Entscheidungsprozesse in der Union zu beeinflussen und sie werden im Auftrag eines Drittlandunternehmens durchgeführt." In diesem Fall kann das Vorhaben mit einer Registrierungspflicht belegt werden. Bei Nichtbeachtung dieser Richtlinie sind Geldstrafen vorgesehen. 

Science Business zitierte am 23.1. unter anderem Mitarbeitende von Neth-ER, einer in Brüssel ansässigen Organisation, die niederländische Forschungsorganisationen vertritt. Beispielsweise deren Politikberater Bram Ruber: "Es ist genau die Absicht, dass wissenschaftliche Forschung die Politik beeinflusst. Es ist unerwünscht, wenn dies nicht mehr möglich ist, wenn die Forschung von einem Institut aus einem Drittstaat finanziert wird." Thomas Jørgensen, Direktor für politische Koordinierung und Zukunftsforschung bei der European University Association (EUA), habe laut Science Business die Befürchtung, dass je nach Interpretation der Richtlinie seitens der Mitgliedsstaaten ein Haufen Bürokratie auf die Hochschulen zukäme. Außerdem sehe er ein erhebliches Stigmatisierungspotential im angestrebten Register.

cva