Auf der Suche nach gefälschten Artikeln: Eine Lupe vergrößert das Wort "Fake" zwischen vielen Wiederholungen des Wortes "Fact".
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Gefälschte Forschung
Fake-Science und Möglichkeiten, sie zu erkennen

Von Fälschern verfasste "Fake-Artikel" erscheinen vermehrt in wissenschaftlichen Journalen. Deutsche Forschende schlagen eine Methode dagegen vor.

12.05.2023

Fälschungsagenturen bieten fingierte Forschungsartikel in großer Zahl zur Publikation in wissenschaftlichen Fachjournalen an, in denen sie dann oft tatsächlich veröffentlicht werden. Forschende von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben nun zusammen mit Professor Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung nach einer Methode gesucht, um solche "Fake-Arbeiten" zu identifizieren. Auf Basis ihrer Analysen für das Gebiet der Biomedizin haben sie berechnet, dass im Jahr 2020 etwa 28 Prozent der weltweit veröffentlichten Fachartikel unter dem Verdacht stehen, gefälscht zu sein.

Der Anteil der gefälschten Artikel habe damit seit 2010 deutlich zugenommen; ein Jahr, für das die Forschungsgruppe von einer Fälschungsrate von 16 Prozent ausgeht. Seit 2020 gehe es um mehr als 300.000 Publikationen jährlich mit steigender Tendenz alleine in der Biomedizin, kommentierte Erstautor Professor Bernhard Sabel gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die am Mittwoch als erstes deutsches Medium über die Studie berichtet hat. Das Wissenschaftsmagazin "Science" hatte diese bereits am Mittwoch kommentiert.

Wie die Forschenden "Fake-Artikel" herausfiltern wollen

Als verdächtig stuft die Studie Aufsätze ein, deren Autorinnen und Autoren eine private E-Mailadresse angegeben haben und die über keinen internationalen Ko-Autor verfügten beziehungsweise an einer Klinik angesiedelt waren. Um diese Indikatoren zu ermitteln, hatte die Forschungsgruppe zunächst aus einer Stichprobe von 215 zwischen 2017 und 2021 veröffentlichten Artikeln 44 manuell als Fake-Artikel verdächtigte Beiträge identifiziert. Im Anschluss haben die Forschenden den Autorinnen und Autoren dieser Verdachtsfälle sowie einer Kontrollgruppe von 48 nicht verdächtigten Autorinnen und Autoren einen Fragebogen geschickt. Dies habe auf der Annahme beruht, dass die Verantwortlichen von Fake-Aufsätzen keine Originaldaten zur Verfügung stellen oder Fragen beantworten können.

Obwohl die angeschriebenen Autorinnen und Autoren informiert worden seien, dass eine ausbleibende Antwort eine Zurücknahme des Artikels zur Folge haben könnte, antworteten aus der Gruppe der verdächtigten Personen nur etwa 45 Prozent gegenüber 96 Prozent der Autorinnen und Autoren der Kontrollgruppe. Auf Basis der Antwortbereitschaft, haben die Forschenden Indikatoren für Fake-Science entwickelt und dann in weiteren Studien überprüft. Beispielsweise haben sie geprüft, ob die Präsenz der Indikatoren zwischen 2010 und 2020 zugenommen hat, einem Zeitraum in dem auch die Anzahl der gefälschten Artikel gestiegen ist.

Bei weiteren Überprüfungen durch die Forschungsgruppe stellten sich die nicht-institutionelle E-Mailadresse und der Mangel an internationalen Ko-Autoren als beste Indikatoren heraus. Die Kombination dieser beiden Kriterien lag allerdings nicht immer richtig: Die Fehlerquote, die das Autorenteam ermittelt hat, liegt bei etwa 44 Prozent. Außerdem weisen die Forschenden darauf hin, dass die Indikatoren und ihre Relevanz in Forschungsbereichen außerhalb der Biomedizin andere sein könnten.

Wie ist die Methode zum Finden der gefälschten Artikel zu bewerten?

Allgemein erscheinen die Kriterien aus einer nicht-westlichen Perspektive weniger verdächtig: Ob Autorinnen und Autoren etwa im Globalen Süden immer Zugang zu einer institutionellen E-Mailadresse oder internationalen Forschungspartnern haben, ist eine Frage, die die Forschungsgruppe weder stellt noch beantwortet.

"Science" kommentiert, dass die Indikatoren keine "perfekte Lösung" darstellten angesichts der hohen Zahl falsch positiver Ergebnisse. Allerdings hätten andere Entwickler von Methoden zum Nachweis gefälschter Aufsätze mit ähnlich hohen Fehlerquoten zu kämpfen. Diese verschwiegen jedoch, welche Kriterien sie anlegen, um die Fälschungsagenturen nicht vorzuwarnen. 120 wissenschaftliche, technische und medizinische Verlage entwickeln laut "Science" in der gemeinsamen Initiative "Integrity Hub" ebenfalls neue Nachweismethoden für Fake-Science. Ein erstes Tool sei im April an den Start gegangen. Es steht aktuell nur den beteiligten Verlagen zur Verfügung, soll zukünftig aber auch von einer größeren Gruppe an Verlagen verwendet werden können. Ein weiteres Tool soll laut "Science" im Laufe des Jahres folgen. Aus Sicht der Initiative seien die Verwendung von E-Mailadressen, die jene von legitimen Institutionen imitieren, oder das Zitieren aus bereits zurückgezogenen Publikationen wichtige Hinweise auf verdächtige Artikel.

Die deutschen Forschenden betonen, dass sich mit ihrer Methode nicht mit Sicherheit sagen lasse, ob eine einzelne Arbeit gefälscht sei. Allerdings lasse sich am absehbaren Umfang der verdächtigten Arbeiten erkennen, dass Fake-Artikel ein riesiges Geschäft darstellten mit jährlichen Einnahmen für Fälschungsagenturen von bis zu vier Milliarden Dollar seit 2020 allein in den untersuchten Wissenschaftsbereichen. "Science" beleuchtet mit Verweis auf weitere Experten, dass Verlage, die im Gold-Open-Access-Modell publizierten – die also von Autorinnen und Autoren eine Gebühr für das sofortige Open-Access-Veröffentlichen von Aufsätzen erhalten und zur Einnahmensteigerung möglichst viel publizierten – in einem Interessenskonflikt stünden, wenn es um Fake-Artikel gehe.

Folgen der gefälschten Forschung

Die Existenz von Fake-Artikeln ist dabei nicht ungefährlich, gerade im analysierten biomedizinischen Forschungsfeld: Sie könnten laut Sabel und Kollegen die öffentliche Gesundheit gefährden, da sie möglicherweise Fehlinformationen über die Entwicklung von Therapien enthielten. In der Folge könnten sie das Vertrauen in die Wissenschaft schwächen.

Laut der Studie ist China mit etwa 55 Prozent Spitzenreiter unter den Ländern mit der höchsten Quote an verdächtigten, international publizierten Artikeln. Ebenso wiesen Russland, Ägypten, Indien und die Türkei hohe Prozentsätze auf. In Deutschland liege der Anteil der verdächtigten Artikel bei etwa sechs Prozent. Die "FAZ" deutet an, dass manche Herausgeberinnen und Herausgeber Studien, die aus China, Indien oder Russland stammen, standardmäßig aus dem Verdacht heraus, dass es sich bei ihnen per se um Fälschungen handelte, ablehnen. Das geht zu weit und stellt Autorinnen und Autoren aus diesen Ländern unter einen problematischen Generalverdacht.

Wie können Fälschungsagenturen aufgehalten werden?

Um etwas gegen die gefälschten Arbeiten zu tun, sei eine Infrastruktur notwendig, die Fake-Aufsätze identifizieren und löschen könnte, empfiehlt Sabel gegenüber der "FAZ". Es sei ebenso notwendig, dass die Wissenschaftsgemeinschaft die Produktivität von Forschenden nicht nur nach quantitativen Gesichtspunkten bewertet, fordert er und sein Team in ihrer Studie. So sei ein Faktor für den Erfolg der Fälschungsagenturen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Druck gesetzt werden zu publizieren, um ihren akademischen Ruf zu stärken, Beförderungen oder Gehaltserhöhungen zu erhalten.

Wissenschaftliche Journale, bei denen es zur Häufung von gefälschten Artikeln kommt, sollten sanktioniert werden, so die Forschungsgruppe. Auch "Science" berichtet, dass der öffentliche Hinweis darauf, dass bestimmte Fachzeitschriften eine hohe Anzahl von Fälschungen enthielten, Fälschungsagenturen auch von diesen abhalten könne. Verlage müssten zusammenarbeiten, um die Fälschungsindustrie zu bekämpfen.

Die Studie von Sabel und seinem Forschungsteam ist am Montag als Preprint bei "MedRxiv" erschienen und hat den Peer-Review-Prozess noch nicht durchlaufen.

cpy