abstraktes Symbolbild für ungeordnete Bewegung
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Chemie
Forschende beweisen Chaos auf Nanometer-Skala

Auf atomarer Ebene tritt Unordnung eigentlich nicht auf. Chemiker haben nun erstmals eine Reaktion beobachtet, bei der Chaos ausbricht.

28.02.2023

Chemische Reaktionen laufen manchmal nicht nur stationär in eine Richtung ab, sondern zeigen räumlich-zeitliche Schwankungen. Forschende der Technischen Universität Wien haben nun erstmals einen Übergang zum chaotischen Verhalten auf der Nanometer-Skala beobachtet, teilte die Uni am Montag über eine kürzlich im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlichte Studie mit. Es sei der erste Nachweis in atomarer Größenordnung; Chaos kenne man sonst nur von sehr großen Dingen wie dem Wetter oder dem Verhalten von Asteroiden im Weltall, auf die zeitgleich verschiedene Kräfte einwirken.

Die Forschenden beobachteten den Ablauf einer an sich simplen und bekannten chemischen Reaktion auf winzigen Rhodium-Kristallen: Mit Hilfe eines Edelmetall-Katalysators reagiert Sauerstoff mit Wasserstoff zu Wasser. Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt dabei in der Regel von äußeren Bedingungen wie Druck und Temperatur ab. Unter bestimmten Voraussetzungen zeige diese Reaktion allerdings ein sogenanntes oszillierendes Verhalten, obwohl die äußeren Bedingungen konstant sind. Die Reaktionsgeschwindigkeit "pendele" dann zwischen kaum wahrnehmbar und hoch hin und her und damit auch das katalytische System zwischen inaktiv und aktiv, erklärte Professor Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien.

Auf den verwendeten Rhodium-Nanokristallen trete diese chemische Reaktion mehrfach auf, nämlich auf jeder der verschiedenen winzigen Oberflächen-Facetten des Kristalls, dessen Struktur einem geschliffenen Diamanten ähnele. "Auf jeder dieser Facetten oszilliert die chemische Reaktion, aber die Reaktionen auf benachbarten Facetten sind miteinander gekoppelt", erklärten die Wiener Forschenden. Dieses Kopplungsverhalten folge meist einer gewissen periodischen Ordnung. Erhöhe man aber die Wasserstoffkonzentration bis zu einem bestimmten Punkt, breche diese Ordnung zusammen und das Chaos gewinne. Die Schwingungsmuster der chemischen Reaktionen seien dann unvorhersagbar.

Die Erkenntnis der Studie sei "für unterschiedliche chemische Reaktionen wichtig – und vielleicht sogar für biologische Systeme", sagte Rupprechter.

ckr