Mischwald
picture alliance/imageBROKER

Klimawandel
Forscher dämpfen Erwartungen an Aufforstung

Eine Studie der ETH Zürich versprach kürzlich Hilfe beim Klimawandel durch neue Wälder. Bonner Forscher sehen in Aufforstung weit weniger Potenzial.

19.10.2019

Wissenschaftler der Universität Bonn haben eine Studie von Forschenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich kritisiert. Diese hatten untersucht, wie viel Wald es nach Aufforstung theoretisch auf der Erde geben könnte. Die neu gepflanzten Wälder, so versprach es die Züricher Studie, könnten 205 Milliarden Tonnen CO2 speichern und den Klimawandel effektiv bremsen. Diese Zahlen basieren auf stark vereinfachten oder fragwürdigen Annahmen, bemängeln die Bonner Forscherinnen und Forscher. 20 bis 30 Milliarden Tonnen Kohlendioxid seien ihrer Ansicht nach realistischer, teilte die Uni Bonn mit.

Die Erde könne laut der Züricher Studie ein Drittel mehr Wälder vertragen, ohne dass Städte oder Agrarflächen beeinträchtigt würden. In ihrer Simulation zogen die Forscherinnen und Forscher demnach nur vom Menschen unbeeinflusste Naturschutzgebiete für die Wiederaufforstung in Betracht. Die im Modell betrachteten Parameter – Temperatur, Niederschlag, Bodenbeschaffenheit – sind den Bonner Wissenschaftlern zufolge aber zu undifferenziert. Beispielsweise seien drei Bodenparameter zu wenig, um den Erfolg der Wiederaufforstung in oft erodierten oder degradierten waldfreien Gebieten vorherzusagen.

Zudem berücksichtige die Software laut Mitteilung nur die Jahresdurchschnittstemperatur, nicht jedoch niedrigste und höchste Temperatur eines potenziellen Waldgebietes. "Als Folge sieht die Studie zum Beispiel erhebliches Wiederaufforstungs-Potenzial in der Tundra", erklärt Dr. Katja Schiffers von der Uni Bonn. "Dort herrscht aber vielerorts Permafrost: Der Boden taut auch im Sommer nur oberflächlich auf." Unter diesen Bedingungen sei keine bedeutende Steigerung der Baumfläche möglich.

Die ETH-Forscher hätten bei der Bewertung der potenziellen Waldflächen auch Gebiete einbezogen, die momentan für Viehhaltung genutzt würden oder durch Siedlungen belegt seien. Selbst die Millionenstadt Kinshasa im Kongo sei in der Software als potenzielle Wiederaufforstungs-Fläche eingestuft worden. Insgesamt gehe es um Gebiete, in denen rund 2,5 Milliarden Menschen lebten.

Grundsätzlich seien die Bonner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dafür, Flächen zu renaturieren, wo immer es möglich sei, schon weil die Ökosysteme davon enorm profitierten. Schnelle Brems-Effekte für die globale Erwärmung seien davon laut Mitteilung aber nicht zu erwarten. "Die Wiederaufforstung kauft uns Zeit, die wir bitter benötigen. Sie kann aber nur ein Baustein in einer umfassenden Handlungsstrategie zur Vermeidung des Klimawandels sein", erklärte der Bonner Professor Eike Lüdeling. Die Züricher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten Wiederaufforstung als die derzeit effektivste Methode, um CO2 zu senken, propagiert.

ckr