Coronavirus Illustration
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Herkunft von Sars-CoV-2
Forscher kritisieren These zu Corona-Ursprung

Dass Sars-CoV-2 seinen Ursprung in Tieren hat, gilt als wissenschaftlicher Konsens. Doch immer wieder wird die Pandemie China in die Schuhe geschoben.

23.09.2020

Labor statt Wildtier? In sozialen Netzwerken kursiert derzeit die Behauptung einer Virologin, das Coronavirus sei von China in einem Labor hergestellt und absichtlich freigesetzt worden. Die globale Wissenschaftsgemeinde widerspricht vehement. "Es wurden Daten einseitig interpretiert. Alles, was gegen ihre Hypothese spricht, wurde einfach nicht berücksichtigt", sagte Professor Friedemann Weber, Virologe an der Uni Gießen.

Die in die USA emigrierte Chinesin Dr. Li-Meng Yan hatte ihre These Mitte September auf einen Server für Preprints hochgeladen – Arbeiten, die noch nicht von anderen Forschern begutachtet und in einem Fachjournal veröffentlicht sind. "Was da drin steht, hält einem wissenschaftlichen Gutachtertum nicht stand", monierte Weber. Beim US-Sender Fox News erweiterte Yan ihre Behauptung noch: Sars-CoV-2 sei nicht nur künstlich hergestellt, sondern auch absichtlich freigelassen worden.

Webers Urteil deckt sich mit dem von Fachkollegen. Der Virologe Professor Stephan Ludwig aus Münster sieht in Yans Aufsatz eine "Vermischung aus Daten und Vermutungen". Er verweist auf eine Studie in der Fachzeitschrift "Nature". Deren Autoren kamen schon im März zu dem Schluss, dass eine Herstellung des Virus im Labor unwahrscheinlich sei. Laut Weber liegt das etwa am Aufbau der Bindestelle zwischen Virus und Zelle: "Wenn man so ein Virus absichtlich konstruieren wollte, würde es anders aussehen."

Professor Frank Hufert, Virologe an der Medizinischen Hochschule Brandenburg, gibt bei Yans Aussage, China habe das Virus absichtlich freigesetzt, noch einen weiteren Aspekt zu bedenken: "Es gibt für diese Krankheit auch in China keinen Impfstoff und keine Therapie", sagte er. "Ich sehe keinen Grund, warum man einen Ausbruch im eigenen Land starten und damit Menschen und Wirtschaft gefährden sollte."

Frühere Kollegen distanzieren sich von Yan

Auch zahlreiche andere Forscherinnen und Forscher etwa aus Großbritannien, Frankreich und den USA kritisierten den Beitrag als unwissenschaftlich. Bemängelt wird nicht nur der Inhalt des Preprints. Yans angegebene Arbeitgeber, die "Rule of Law Society" und die "Rule of Law Foundation", sind keine Institute, sondern zwei Organisationen, die bereits zuvor mit derselben These in Zusammenhang standen.

Zu Beginn des Sars-CoV-2-Ausbruchs forschte Yan an der Universität Hongkong am Coronavirus, im April setzte sie sich in die USA ab. Im Juli distanzierte sich ihr früheres Labor in Hongkong von ihr. Twitter hat inzwischen Yans Account gesperrt, Facebook und Instagram versahen Videos ihres "Fox News"-Auftrittes mit Warnhinweisen von US-Faktencheckern.

Dass das Coronavirus von Tieren auf den Menschen übersprang, gilt derzeit als wissenschaftlicher Konsens. Doch wo, wann und von welcher Tierart genau, ist nach wie vor unklar. Es komme in China nicht nur Wuhan als erster Verbreitungsort infrage, hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Anfang August erklärt. Von der WHO geführte internationale Teams gehen in China ungeklärten Aspekten der Pandemie nach.

dpa/ckr