3D-Illustration von Nervenzellen, die an Synapsen Neurotransmitter ausschütten
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Neurobiologie
Gen-Mutation bewirkt höhere Intelligenz

Meist führen Genveränderungen zu Krankheiten. Forschende haben nun eine der seltenen Mutationen entdeckt, die für die Träger auch vorteilhaft sind.

10.05.2022

Forschende der Universitäten Leipzig und Würzburg haben nachgewiesen, dass eine bestimmte Mutation eines Gens neben einem negativen auch einen positiven Effekt haben kann: Sie bewirkt einen erhöhten IQ beim Menschen. Für die in der Fachzeitschrift "Brain" veröffentlichte Studie haben die Biochemikerinnen und Biochemiker die Auswirkungen des veränderten Gens des Nervensystems untersucht.

Die Mutation schädigt demnach ein Eiweiß in den Synapsen, den Kontaktstellen, über die Nervenzellen miteinander kommunizieren. Normalerweise führen neuronale Gendefekte zu Störungen des komplexen molekularen Kommunikationsmechanismus von Nervenzellen und münden in mehr oder minder schweren Erkrankungen des Nervensystems. Auch in diesem Fall seien die betroffenen Patienten zunächst aufgefallen, weil sie durch die Genveränderung an der Netzhaut des Auges erkrankten und erblindeten. Die behandelnden Ärzte hätten aber dann gemerkt, dass die Erkrankten zusätzlich überdurchschnittlich intelligent waren. Sie besitzen laut der Studie einen höheren verbalen IQ und ein besseres Arbeitsgedächtnis.

"Es ist sehr selten, dass eine Mutation zu einer Verbesserung statt zu einem Verlust an Funktionen führt", sagte einer der beiden Studienleiter, Professor Tobias Langenhan von der Uni Leipzig. Die Forschenden konnten mit Untersuchungen ihre Annahme bestätigen, dass die Mutation die Kommunikation zwischen den betroffenen Nervenzellen schneller und effizienter macht und die Patienten dadurch schlauer.

Mit Fruchtfliegen das menschliche Gehirn verstehen

Ihre Experimente führten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Fruchtfliegen durch, denen sie dieselbe Mutation in ihr entsprechendes Fliegen-Gen einfügten, welche dann die gleiche Veränderung am entsprechenden Fliegen-Eiweiß bewirkte. Die Modelltiere besitzen eine hohe genetische Ähnlichkeit mit dem Menschen. Mit elektrophysiologischen Verfahren und hochauflösenden Mikroskopen haben die Forschenden anschließend analysiert, wie sich die Synapsen veränderten.

"Wir konnten tatsächlich beobachten, dass die Tiere mit der Mutation eine weitaus gesteigerte Informationsübertragung an den Synapsen zeigten", sagte Langenhan. Mit seinem Team konnte er belegen, dass an den veränderten Synapsen vermehrt Neurotransmitter ausgeschüttet werden. Dieser Effekt finde sich wahrscheinlich so oder ähnlich auch bei den Patienten und könnte die gesteigerten kognitiven Leistungen, aber auch ihre Erblindung erklären. Dieser liege eine Zapfen-Stäbchen-Dystrophie zugrunde, bei der Zellen der Netzhaut absterben. Weitere Untersuchungen der Synapsen in der Netzhaut und im Gehirn sollen die genauen Mechanismen klären.

ckr