Schüler liest in einem Lesebuch
dpa - Report

Pädagogische Psychologie
Geschlechter-Klischees entmutigen Jungs beim Lesen

Mädchen lesen besser als Jungs? Dieses Klischee verfestigt die Realität, denn es demotiviert vor allem Jungs, haben Forscher herausgefunden.

26.02.2020

Bei der letzten Pisa-Studie haben Jungs beim Lesen wieder schlechter abgeschnitten als Mädchen. Als einen möglichen Grund nennen Hamburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun Geschlechter-Klischees. Diese können positive oder negative Auswirkungen auf die Lesefreude der Kinder haben – und damit auf die Leseleistung. "Stereotype beeinflussen den Kompetenzglauben der Kinder", sagte die Hauptautorin der Studie, Psychologin Dr. Francesca Muntoni, der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg.

Jungen, die besonders fest daran glaubten, dass Mädchen besser lesen, schätzten in der Studie ihre eigene Lesekompetenz eher gering ein und lasen weniger gerne. Sie schnitten in den Tests auch schlechter ab. Bei den Mädchen waren die Auswirkungen der Klischees geringer.

Die befragten Schulkinder der fünften und sechsten Klasse lassen sich den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge von Rollen-Klischees beeinflussen – etwa wenn ihre Mitschüler oder sie selbst denken, dass Jungs schlechter lesen als Mädchen. Vor allem bei den Jungen habe das einen erkennbaren Einfluss. Sie sind dann weniger motiviert und glauben weniger an sich selbst. Eine mögliche Konsequenz: Sie lesen weniger als sie aus sich heraus vielleicht lesen würden. Aus Leselust wird Lesefrust und "das beeinträchtigt dann wiederum ihre Leseleistung".

Lehrkräfte für geschlechtsneutralen Unterricht schulen

Sowohl Eltern als auch Lehrerinnen und Lehrern sollen daher nach Ansicht der Autorinnen und Autoren mehr auf die persönlichen Stärken der Kinder achten und damit geschlechtsneutral umgehen. Väter sollten ihren Söhnen mehr vorlesen, Lehrer sollten mehr spannende Texte für Jungs nutzen. Zudem sollten die Kinder individueller gefördert werden. "Lehrkräfte müssen lernen, mit dieser Heterogenität umzugehen – und das am besten schon in der Ausbildung", sagte Muntoni.

Für die Studie, die in der Fachzeitschrift "Child Development" veröffentlicht wurde, hatten die Hamburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Antworten und Leistungen von 1.508 Kindern der fünften und sechsten Klasse ausgewertet. Die Mädchen und Jungen aller Schulformen waren mit einem Abstand von eineinhalb Jahren zwei Mal zu Geschlechter-Stereotypen rund ums Lesen befragt worden. Sie sollten unter anderem bewerten, ob Mädchen oder Jungs besser lesen, wer von beiden mehr Spaß am Lesen hat und welches der beiden Geschlechter mehr liest. Zudem sollten sie ihre eigene Lust am Lesen und ihr Können einschätzen. Auch das tatsächliche Leseverständnis wurde getestet.

dpa/ckr