Die Gewinner des Deutschen Zukunftspreises mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Deutscher Zukunftspreis / bildschoen

Deutscher Zukunftspreis 2023
MRT für die ganze Welt

Ein Forscherteam der Uniklinik Erlangen und von Siemens hat den Deutschen Zukunftspreis erhalten. Ausgezeichnet wurden sie für ein neues MRT.

Von Katharina Finke 23.11.2023

Frank-Walter Steinmeier hat gestern Abend in Berlin den Forschenden Professor Michael Uder von der Uniklinik Erlangen sowie Dr. Stephan Biber und Dr. David M. Grodzki von der Erlanger Siemens Healthineers AG den Deutschen Zukunftspreis verliehen. Ausgezeichnet wurde das Team für die Entwicklung einer neuartigen Magnetresonanztomographie (MRT)-Version, die allen auf der Welt zur Verfügung stehen soll. Der Gemeinschaftsgedanke zeigt sich auch daran, dass die Gewinner das Preisgeld in Höhe von 250.000 Euro spenden wollen – wem ist allerdings noch unklar. 

Am gestrigen Abend strömten fast 600 Gäste in die STATION am Gleisdreieck in der Nähe des Technik-Museums in Berlin. Die meisten von ihnen: Anzugträger. Die wenigen Frauen sind ebenfalls alles andere als experimentierfreudig gekleidet. Da ist die Moderatorin Yve Fehring in ihrem knallroten Hosenanzug ein echter Farbtupfer.

Zu Beginn der Veranstaltung animiert sie das Publikum, für die drei nominierten Teams zu applaudieren. Team 1, "Offen für alle", erhält am wenigsten Applaus. Bei Team 2, "Dem Klimawandel entgegenwirken", wird es schon etwas mehr, und bei Team 3, "Resilienz für die Gasversorgung", wird am stärksten applaudiert. Dann werden alle Projekte nacheinander per Videozusammenfassung vorgestellt. Im Anschluss stellen die Moderatorin Fehring und der Bundespräsidente Frank-Walter Steinmeier den Teams Fragen. Die Spannung steigt.   

Eindeutige Juryentscheidung für Gesundheitsinnovation

Der Deutsche Zukunftspreis ist der Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation und wird jährlich seit 1997 vergeben. Er zählt zu den wichtigsten Wissenschaftsauszeichnungen in Deutschland – laut Steinmeier sei er sogar der wichtigste Preis, da ihn nur solche Forschende erhielten, die ausgehend von exzellenter Wissenschaft überzeugende Projekte und Produkte entwickeln, die mit ihren Ideen die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sicherten. Finanziell ausgestattet wird der Preis von privatwirtschaftlichen Unternehmen und privaten Stiftungen, aus denen sich auch die Jury speist. Dieses Jahr erhielt sie 24 Einreichungen aus Wissenschaft und Wirtschaft und nominierte drei Teams, die sich am gestrigen Abend in Berlin einfanden. Im Saal der Station wird das Publikum immer unruhiger.

Als der Vorsitzende der Jury berichtet, dass sie sich dieses Jahr einstimmig entschieden hätten, erreicht die Anspannung im Saal ihren Höhepunkt. Bundespräsident Steinmeier nimmt den Umschlag entgegen, der den Namen des Gewinnerteams enthält – und überraschenderweise gewinnt ausgerechnet das Team, das zu Beginn am wenigsten Applaus bekommen hat: "Offen für alle!"

Jetzt übertönt der Applaus die Namen der Gewinner, so rauschend ist er. Das Gewinnerteam erklimmt die Bühne, um den Preis voller Freude entgegenzunehmen. "Damit hätten wir, als wir das Projekt begonnen haben niemals gerechnet", sagt Biber von der Siemens AG, Sprecher des Gewinnerteams. "Die Auszeichnung ist eine riesige Ehre für das ganze Team, das daran gearbeitet hat. Es gibt keine bessere Anerkennung für die Innovationskraft, den Mut und das Durchhaltevermögen, die es gebraucht hat, um so eine Entwicklung zu stemmen - und ein MRT für die ganze Welt zu schaffen." 

Umdenken: Zugang zu Gesundheit für alle auf der Welt 

Denn Biber, Grodzki, Uder und ihr Team wollten mit ihrer Entwicklung einen Missstand beheben: Bislang hat nur die Hälfte der Menschen weltweit Zugang zu einem MRT. Also beschäftigten sie sich als erstes mit den Schwachstellen von MRTs, die ihre globale Ausbreitung verhindern. Zum einen sei das Gerät zu groß. Es passt noch nicht einmal durch eine regulären Krankenhauseingang in Industrienationen. Zum anderen müsste die Röhre selbst größer sein, damit ein MRT auch für adipöse, jüngere und klaustrophobische Menschen zugänglich sei.

Das scheint erstmal paradox: Man braucht ein kleineres Gerät mit größerer Röhre – also einer Röhre mit größerem Durchschnitt. Doch das Gewinnerteam machte es möglich, indem sie etwas Undenkbares probierten: Statt wie zuvor einen stärkeren und größeren Magnet einzusetzen, wählten sie einen kleineren.

Das gleiche einem Paradigmenwechsel. Ein Raunen geht durch den Saal. Auf das "Oh" des Publikums folgt ein "Ah", denn der Nachteil des schwachen Magnetfeldes: die Aufnahmen wurden schlechter. Das hat den Einsatz kleinerer Magneten früher verhindert. Dieses Problem lösten die Gewinner mit dem Einsatz KI-basierter Algorithmen, die die Bildqualität laut der Forschenden signifikant verbesserten.

Doch es galt noch ein weiteres Problem zu lösen: die Kühlung. Denn bislang benötigte ein MRT-Gerät 1000 Liter Helium allein zur Kühlung, ein enormer Resourcenaufwand. Dem Forscherteam gelang es jedoch, den Bedarf des Kühlsystems auf nur einen Liter Helium zu senken. Da geht ein noch stärkeres Staunen durch den Saal.

Die neue MRT-Technologie ebne den Weg für eine breitere medizinische Versorgung auch dort, wo es bisher aus finanziellen oder strukturellen Gründen nicht möglich war. Das neue MRT sei inzwischen in über 40 Ländern weltweit im Einsatz, erfährt das Publikum in Berlin. Zehn Jahre lang haben Biber, Grodzki und Uder daran geforscht. 

Gemeinschaft ist den Gewinnern wichtiger als Wirtschaft

"In der Wissenschaft läuft nicht immer alles glatt und man macht viele Dinge umsonst", so Uder vom Uniklinkum Erlangen vor Ort gegenüber Forschung & Lehre. "Aber wenn so etwas am Ende rauskommt, ist das gut."

Er unterstreicht auch die Aussage seines Kollegen Biber. "Es ist eine Teamleistung, denn es haben Hunderte daran mitgearbeitet."

Grodzki von der Siemens AG unterstreicht das unternehmerische Risiko der Entwicklung. "Wir sind ein sehr großes Risiko eingegangen, weil wir anfangs nicht wussten, wie es an manchmal weitergehen wird."

"Und natürlich muss sich so ein Projekt auch wirtschaftlich tragen", ergänzt Biber im Gespräch. Das tue es aber. "Das Gerät ist extrem erfolgreich, wird in höher Stückzahl verkauft und viel bestellt", so Uder. "Außerdem sichern wir damit Arbeitsplätze hier in Deutschland. " 

Doch die Hauptmotivation des Teams, war eine andere: Ihnen war es zentrales Anliegen, MRTs allen auf der Welt zugänglich zu machen. "Wir haben ein basales Problem, es gibt viele Regionen in der Welt, wo einfache Medizin fehlt", so Uder. Laut Uder "ist ein Stück von Zukunft auch, dass wenn morgen eine Person krank ist, ihr geholfen werden kann, egal, wo auf der Welt." Das habe ihn persönlich motiviert.

Als Arzt freue er sich vor allem auch darüber, dass mit dem neuen Gerät viel mehr möglich ist: "Wir können nun auch in die Lunge gucken und auch für Metalle im Körper ist das neue Gerät viel unempfindlicher." Besonders stolz mache die Gewinner, dass durch ihr Projekt "viel mehr Menschen auf der Welt untersucht werden können", so Biber, "es ist also ein Gewinn für die Gesundheit, aber nicht nur das: auch für die Menschheit, denn es kann viel mehr Leben retten."  

CO2-Staubsauger und neuer Gasbrenner gehen leer aus 

Nicht gereicht hat es für die zwei anderen für den Deutschen Zukunftspreis nominierten Teams. "Dem Klimawandel entgegenwirken – CO2 aus der Atmosphäre herausfiltern und vielfältig nutzbar machen" hieß das Projekt des zweiten Teams. Der benötigte Energieaufwand für die Filtermethode stimmte aber einige im Publikum skeptisch, genau wie der Ansatz, CO2 aus der Atmosphäre zu filtern, statt weniger davon zu produzieren. Zwar plädierten Antje Bulmann, Viktor Fetter und Tobias Horn in ihrer Präsentation auch dafür, CO2 nicht nur aus der Atmosphäre zu filtern, sondern auch insgesamt zu reduzieren – aber das von Airbus vollständige privatwirtschaftlich finanzierte Projekt erweckte entwickelte trotzdem bei dem ein oder anderen im im Publikum den Eindruck des Greenwashings, oder zumindest des "Weiter-So" in der Klimakrise.

Team drei trat da schon vielversprechender auf: Ihr Thema war "Resilienz für die Gasversorgung – 3-D-Reku-Brenner senkt Erdgasverbrauch und eröffnet die Zukunft mit Wasserstoff für die Industrie". Entwickelt wurde es von Jens te Kaat, Bernd-Henning Feller, und Dan-Adrian Moldovan von der der Kueppers Solutions GmbH aus Dortmund. Sie zogen viel Sympathie auf sich, nachdem sie sich auf der Bühne sehr darüber freuten, als mittelständiges Unternehmen überhaupt für den Deutschen Zukunftspreis nominiert zu sein. Doch am Ende reichte es nicht für die Auszeichnung. Immerhin gab es am Ende ein Trostpflaster: Steinmeier ehrte sie - genau wie Team zwei - mit einer Urkunde. Außerdem wurden sie durch die Jury in den "Kreis der Besten" des Deutschen Zukunftspreises aufgenommen.