Historische Illustration Hipparchos (nachträglich colorierter Holzstich): Der Gelehrte steht vor dem Sternenhimmel und blickt in ein Fernrohr.

Astronomie
Suche nach frühestem Sternenkatalog

Bisher war der Sternenkatalog des Hipparchos verschwunden. Nun glauben Forschende, einen Ausschnitt entdeckt zu haben – überschrieben mit Text.

22.10.2022

Verborgen unter christlichen Texten haben Forschende vermutlich Teile des bisher verschwundenen Sternenkatalogs von Hipparchos gefunden. Dieser habe im zweiten Jahrhundert vor Christus versucht, den kompletten Himmel zu kartieren. Von dem Fund berichten die französischen und britischen Forscher in einem am Dienstag in der Fachzeitschrift "Journal of the History of Astronomy" erschienenen Artikel.

Die Wissenschaftler haben ein Palimpsest-Manuskript untersucht. Dabei handelt es sich um wiederverwendetes Pergament, das mehrfach beschrieben wurde. In ihrem Aufsatz berichten sie, dass ein Studierender vor zehn Jahren eine griechische Passage mit astronomischem Inhalt in einem mit christlichen Texten beschriebenen Manuskript entdeckt habe. Im Jahr 2017 hätten dann Forschende der Early Manuscripts Electronic Library in Rolling Hills Estates in Kalifornien und der University of Rochester in New York das Manuskript, das insgesamt 146 Blätter zählt, mit Multispektraltechnik untersucht. Dabei seien von jedem Blatt des Manuskripts insgesamt 42 Aufnahmen gemacht worden, unter Licht mit unterschiedlichen Wellenlängen und mit verschiedenen Filtern. Dadurch sei die frühere Beschriftung sichtbar geworden.

Laut dem Magazin "Nature", das zuerst über die aktuelle Studie berichtete, seien dabei neun Seiten mit astronomischen Inhalten entdeckt worden, beispielsweise ein bekanntes Gedicht aus dem dritten Jahrhundert vor Christus, das Sternenkonstellationen beschreibe.

Koordinaten: Eine Sensation

Erst 2021 entdeckte jedoch einer der Autoren der aktuellen Studie, Dr. Peter Williams, auch Sternenkoordinaten im Manuskript. Sie beschrieben die Lage des Sternbilds Corona Borealis, Nördliche Krone, indem die Koordinaten des jeweils nördlichsten, östlichsten, südlichsten und westlichsten Sterns angegeben seien, erläutern die Forschenden in ihrer Studie. Sie vermuten, dass es sich bei der Beschreibung des Sternbilds um einen Teil von Hipparchos Sternenkarte handeln könnte.

Die enthaltenen Koordinaten erlaubten den Forschenden laut "Nature" auch die Beobachtung zu datieren. Da die Erde alle 72 Jahre minimal um ihre Rotationsachse schwanke, verändere sich die Position der Fixsterne von der Erde aus betrachtet graduell ein wenig. So konnten die Forschenden zurückrechnen und haben festgestellt, dass die im Text beschriebenen Beobachtungen in etwa zum Jahr 129 vor Christus passten, der Lebenszeit des Hipparchos, was den Verdacht der Forschenden erhärtet.

Der Fund stellt laut der Studie einen großen Fortschritt beim bereits jahrhundertealten Versuch der Rekonstruktion von Hipparchos bisher verschwundenem Sternenkatalog dar. Handelt es sich tatsächlich um ein Teil des Katalogs, so bestätige der Fund, dass dieser Katalog äquatoriale Koordinaten enthalte. Dies zeige laut "Nature", dass Astronomen bereits im zweiten Jahrhundert vor Christus begonnen haben, Himmelsphänomene nicht nur zu beschreiben, sondern sie auch zu messen und vorherzusagen. Dass Hipparchos den Himmelsäquator als Referenzpunkt verwendet hat, bringe ihn modernen Beschreibungen deutlich näher, als Astronomen, die nach ihm wirkten, wie zum Beispiel Claudius Ptolomäus, der den bisher einzigen bekannten frühen Sternenkatalog verfasst hat.

Bisher wurden keine weiteren Passagen von Hipparchos auf dem Pergament entdeckt, die Studienautoren wollen aber nicht ausschließen, dass dies in Zukunft passiere – entweder in dem bereits untersuchten Palimpsest-Manuskript oder in weiteren Pergamenten vom gleichen Fundort, dem griechisch-orthodoxen Katharinenkloster auf der Sinai-Halbinsel.

cpy