Hochstapler-Phänomen
Wenn Selbstzweifel überhandnehmen
Menschen, die sich und ihre eigene Leistung systematisch unterschätzen, leiden am sogenannten Hochstapler- oder Impostor-Phänomen. Dieses tritt offenbar unabhängig von Alter, Geschlecht und Intelligenz auf, sagen zwei Psychologen der Universität Halle, die das Phänomen in einer neuen Studie nach eigenen Angaben erstmals unter realen Prüfungsbedingungen belegen. Bislang sei es nur anhand von Befragungen oder Einzelbeispielen untersucht worden.
Betroffene führen demnach jeglichen Erfolg – etwa gute Noten oder positives Feedback – auf äußere Umstände oder pures Glück, Misserfolge hingegen stets auf eigenes Versagen zurück. Durch ihre dauerhaften massiven Selbstzweifel lebten sie in der ständigen Angst, dass ihr vermeintlicher intellektueller Betrug früher oder später auffliegt.
Für die Studie absolvierten 60 Studentinnen und 16 Studenten verschiedene numerische und verbale Intelligenzaufgaben und bekamen dafür positive Rückmeldungen, unabhängig von ihrer wirklichen Leistung. Anschließend sollten sie angeben, worauf sie die vermeintlich oder tatsächlich guten Ergebnisse zurückführen. Die Teilnehmenden waren im Schnitt 23 Jahre alt.
Sind Frauen häufiger vom Hochstapler-Phänomen betroffen?
Der Test bestätigte den Forschenden zufolge die Annahme, dass Menschen mit Neigung zum Hochstapler-Phänomen ihre objektiv gemessene Leistung überdurchschnittlich stark abwerten und positive Resultate externen Ursachen wie Zufall, jedoch nicht der eigenen Fähigkeit zuschreiben. Der aus den Ergebnissen ableitbare Grad des Impostor-Phänomens stehe dabei in keinem Zusammenhang mit der gemessenen Intelligenz, dem Alter oder dem Geschlecht, zeigt die Studie.
Die Forschenden weisen allerdings selbst darauf hin, dass ihre Ergebnisse nur begrenzt verallgemeinerbar sind, da sie eine relativ homogene Teilnehmergruppe untersucht hatten. In Bezug auf ihr Alter, ihre Lebenssituation und ihre Intelligenz unterschieden sie sich nur wenig. Weitere Untersuchungen mit heterogeneren Teilnehmenden seien wünschenswert, etwa im Hinblick auf deren beruflichen Status. Auch das Geschlechterverhältnis sollte ausgewogener sein. In der vorliegen Studie waren 78 Prozent Frauen. Metastudien könnten anschließend die Ergebnisse einzelner Studien vergleichen.
Erstmals beschrieben hätten das Impostor-Phänomen 1978 die US-amerikanischen Psychologinnen Pauline Clance und Suzanne Imes. Sie hätten beobachtet, dass es besonders viele erfolgreiche Frauen gibt, die sich für nicht sehr intelligent halten.
"Das Impostor-Phänomen wird nicht als psychische Krankheit definiert. Dennoch zeigen Menschen, die darunter leiden, eine höhere Anfälligkeit für Depressionen", erklärte Studienautor Professor Kay Brauer. Er hofft, dass künftig basierend auf Studienergebnissen maßgeschneiderte Trainingsprogramme dabei helfen können, das Selbstwertgefühl und die Arbeitszufriedenheit der Betroffenen zu verbessern.
ckr