Foto einer Koralle, die Mikroplastik (schwarze Partikel) in ihr Skelett eingebaut hat.
Jessica Reichert

Umwelt
Wo landet das Mikroplastik?

Die Konzentration winziger Kunststoffpartikel ist im Wasser der Weltmeere geringer als die Menge der Partikel, die in die Ozeane gelangen. Warum?

03.12.2021

Die Weltmeere enthalten immer mehr Mikroplastik, also winzige Partikel aus Kunststoff. Das "missing plastic"-Phänomen beschreibt, dass die Mikroplastik-Menge, die ins Wasser gelangt, höher ist als seine Konzentration im Meerwasser. Die Reste von Autoreifen, Plastiktüten und anderen Gegenständen müssen also eingelagert werden, wo ist allerdings noch nicht endgültig erforscht.

Bislang wurde vermutet, dass dies an unbelebten Speicherorten, wie dem arktischen Eis erfolgt. In den Meerwasser-Aquarien der Justus-Liebig-Universität Gießen konnten Forschende nun zeigen, dass Korallen aktiv Mikroplastik aufnehmen und diese in ihr Kalkskelett einbauen. Die Studie der Gießener Korallenforscher bringt den ersten Nachweis für Lebewesen, die langfristig Mikroplastik aus der Umwelt entfernen.

Gewebe- und Skelettanalysen zeigten, dass die Korallen bis zu 84 Mikroplastikpartikel pro Kubikzentimeter in ihre Körper einbauten – vor allem im Skelett, aber auch im Gewebe. Korallen nähmen die Kunststoffteilchen mit ihrer Nahrung, dem Plankton auf. Ungenießbare Teile würden dann eigentlich ausgeschieden, manchmal ginge bei dieser Selbstreinigung aber etwas schief, so dass der Partikel im Körper bliebe.

Die Tiere könnten in Riffen weltweit bis zu 20.000 Tonnen Mikroplastik im Jahr binden, schätzen Studienleiterin Dr. Jessica Reichert und ihr Team. Das entspräche etwa einem Prozent des Mikroplastiks im Riffwasser.

Auswirkungen der Plastikaufnahme für Korallen

Die Studienautorinnen und Studienautoren warnen allerdings: Auch wenn die Aufnahme von Mikroplastik durch Korallen die marinen Ökosysteme positiv zu beeinflussen scheint, könne sie für die Organismen selbst problematisch sein. Schon 2019 hatten die Forschenden gezeigt, dass einige Korallenarten unter Mikroplastik-Belastung schlechter wachsen oder krank werden. Mikroplastik könnte die Stabilität und Widerstandsfähigkeit ihrer Riffe beeinträchtigen.

Für die Studie untersuchten Reichert und ihr Team vier Korallenarten, die im Indopazifik beheimatet sind: Geweihkorallen, Pfötchenkorallen, kleinpolypige Steinkorallen und blaue Korallen. In den Gießener Meerwasser-Aquarien von "Ocean 2100" simulierten sie über 18 Monate eine starke Mikroplastik-Belastung. Im Projekt "Ocean 2100" simulieren Forschende die Zukunft der Ozeane, beispielsweise auch im Hinblick auf den Klimawandel.

cpy