Dunkle Silhouette eines Mannes schiebt eine große Box mit einem gelben Pfeil mit großer Anstrengung von sich weg.
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Arbeitsorganisation
Effektive Strategien gegen Prokrastination

Vor allem wer eigenverantwortlich arbeitet, läuft Gefahr, unangenehme oder schwierige Dinge zu verzögern. Was hilft gegen die Aufschieberitis?

Prokrastination: Was ist das?

Prokrastination ist zu einem häufig verwendeten Begriff in der akademischen Welt avanciert. Er wird jedoch nicht immer trennscharf verwendet, sondern (vor allem in der Selbstbezichtigung) manchmal mit dem strategischen Aufschieben verwechselt, welches eine vernünftige Prioritätensetzung bei knappen Zeitressourcen darstellt. Im Falle von Prokrastination handelt es sich jedoch um Handeln wider besseren Wissens (griechisch: Akrasia): Eine Person verschiebt eine Handlung, die sie eigentlich zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuführen beabsichtigte, wissentlich und willentlich auf einen Zeitpunkt in der Zukunft, obwohl ihr bewusst ist, dass dieser Aufschub nicht funktional ist. So entsteht eine Lücke zwischen dem ursprünglich beabsichtigten (auch: intendierten) Zeitpunkt der Handlungsausführung und der tatsächlichen Ausführung, das sogenannte "intention-action gap".

In Arbeitskontexten und Lebensbereichen, die sich durch einen hohen Anspruch an das eigenverantwortliche Handeln auszeichnen, tritt Prokrastination häufig auf. So geben 75 Prozent der Studierenden in Befragungen an, dass sie häufig dazu neigen, Dinge unnötig aufzuschieben. Für viele wird die habituelle akademische Prokrastination, das heißt, die gewohnheitsmäßige Prokrastination von studiumsrelevanten Tätigkeiten, von Leistungs- und Gesundheitsproblemen sowie einer geringen Studiums- und Lebenszufriedenheit begleitet. In den Studien der Prokrastinationsambulanz der Universität Münster weisen bis zu 15 Prozent der Studierenden zudem eine klinisch bedenkliche Ausprägung von Prokrastination auf. Die (wenigen) Studien, die Prokrastination in anderen Gruppen von "knowledge workers" untersuchen, zeichnen ein ähnliches Bild zur Häufigkeit und den negativen Begleiterscheinungen von Prokrastination.

Was genau passiert in einer Prokrastinationsepisode?

In der psychologischen Forschung wird Prokrastination durch ein Problem der Selbstregulation beziehungsweise im Falle der habituellen Prokrastination durch eine Schwäche dieser erklärt. Selbstregulation, griffiger als Selbstmanagement bezeichnet, steht für das eigenverantwortliche Organisieren, Planen, Beginnen, Überwachen und Beenden von zielgerichteten Handlungen. In empirischen Studien zeigt sich, dass diese eigenverantwortlichen Tätigkeiten von Handlungen mit bestimmten Charakteristika besonders herausgefordert werden und dementsprechend bei diesen Handlungen Prokrastination eher auftritt. Dazu gehören beispielsweise Handlungen, die als besonders komplex (zum Beispiel das Schreiben eines Drittmittelantrags), als mit der eigenen Kompetenz nicht verfolgbar, aber auch als aufgezwungen (zum Beispiel administrative Tätigkeiten), sinnlos, langweilig oder langwierig (zum Beispiel Korrektur von Klausuren) empfunden werden.

In einer Prokrastinationsepisode sind bei solchen Handlungen das Setzen von Prioritäten, das realistische Planen oder das Selbstmotivieren (zum Beispiel Steigerung des Interesses, eine Belohnung in Aussicht stellen) besonders schwierig. So neigen Menschen etwa dazu, die Zeit, die sie in Zukunft zum Vollenden von Aufgaben benötigen, zu unterschätzen (englisch: planning fallacy) und dabei häufig die Ressourcen an beispielsweise Zeit, Aufmerksamkeit, Energie und Wissen, die ihnen in Zukunft zur Verfügung stehen, zu überschätzen. Abgesehen von diesen Startproblemen fallen beim Ausführen der Handlung Probleme bei der Konzentration, der Abgrenzung gegenüber alternativen Handlungsimpulsen und der Motivationsregulation (zum Beispiel Umweltkontrolle, Selbstinstruktion), also insgesamt eine erhöhte Ablenkbarkeit, auf. Am Ende einer Prokrastinationsepisode werden meist selbstwertschädigende Ursachenzuschreibungen für die Erklärung des Aufschubs formuliert, die häufig mit einer niedrigen Selbstwirksamkeit und Scham einhergehen.

Weiterführende Literatur zu Prokrastination

  • Höcker, A., Engberding, M. & Rist, F. (2017). Heute fange ich wirklich an! Prokrastination und Aufschieben überwinden – Ein Ratgeber. Göttingen: Hogrefe.

Angesichts der Aversivität der Handlung kann es sich bei Prokrastination in manchen Fällen um eine Strategie der kurzfristigen Stimmungsaufhellung handeln. Durch den Aufschub einer Handlung, die mit negativen Gefühlen einhergeht (zum Beispiel Angst, Langeweile), stellt sich eine kurzfristige Erleichterung ein. Das gute Gefühl ist jedoch nicht von Dauer, denn mittel- und langfristig gehen mit diesem Aufschub negative Gefühle, beispielsweise ein schlechtes Gewissen, Bedauern und Schuldgefühle, einher. Emotional und motivational stellt das Ergebnis einer Prokrastinationsepisode somit keine hilfreiche Startbedingung für die Planung des erneuten Anlaufs zur Handlungsausführung sowie darüber hinaus für die Planung zukünftiger Aufgaben mit ähnlichen Charakteristika dar.

Was kann man gegen Prokrastination tun?

Seit der Zusammenstellung von Präventions- und Interventionsansätzen im Jahr 2004 unter dem Titel "Counselling the procrastinator in academic settings" ist eine große Bandbreite an Studien erschienen, die psychologische Therapie- oder Trainingsprogramme, meist für die Zielgruppe der Studierenden, vorstellen. Aktuelle Metaanalysen zeigen, dass die kognitive Verhaltenstherapie sowie Selbstmanagementtrainings am effektivsten sind. Beide Ansätze setzen auf das Aufbauen von funktionalen Arbeitsweisen (zum Beispiel das realistische Planen, das Einhalten von Arbeitszeiten, das Selbstbelohnen) durch die strukturierte und wiederholte Übung im bis zu zehnwöchigen Therapie- beziehungsweise Trainingsverlauf. Neuere Arbeiten setzen zudem an Veränderung von dysfunktionalen Gedanken (zum Beispiel selbstwertschädigende Gedanken, Illusionen über die eigene Schaffenskraft am nächsten Tag) und individuellen Ressourcen (zum Beispiel Stärkung des Selbstwerts) an.

Losgelöst von konkreten Programmen lässt sich die habituelle Prokrastination durch beispielsweise diese vier Strategien effektiv reduzieren beziehungsweise situativer Prokrastination vorbeugen. Erstens kann das realistische Planen, das heißt, das Gegenüberstellen von Handlungsabsichten mit den tatsächlich zur Verfügung stehenden Zeitressourcen und dem entsprechenden Anpassen der Zeitplanung, Prokrastination effektiv vorbeugen. Bei besonders massiv aufgeschobenen Handlungen kann, zweitens, eine Selbstanalyse der Gründe des Aufschubs hilfreich sein. Danach können entweder einige bereits überholte Handlungsabsichten aussortiert oder an dem konkreten Grund für Prokrastination gearbeitet werden, etwa durch das Herunterbrechen von zu komplexen Aufgaben in Teilaufgaben, das Einholen von Unterstützung bei zu schwierigen Aufgaben oder durch das Selbstbelohnen bei besonders langweiligen Aufgaben.

Ein ganz anderer Blickwinkel wird, drittens, durch die in der Prokrastinationsforschung relativ neue Idee der Selbstnachsicht (englisch: self-forgiveness) eingenommen. Eine weise Nachsicht mit der eigenen Prokrastination kann ersten Studienergebnissen zufolge dazu führen, Prokrastination zukünftig zu reduzieren. Aus der Perspektive der Positiven Psychologie weitergedacht, kann, viertens, eine Haltung der Konzentration auf das Geschaffte im Gegensatz zum defizitorientierten Fokus auf das Nicht-Geschaffte Prokrastination nachhaltig reduzieren sowie generell die Leistung und das Wohlbefinden steigern.