Schatten von Personen
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Erfahrungsbericht
Inszenierung eines "offenen Wettbewerbs"

Eine Universitätsprofessorin schreibt über ihre Erfahrungen mit einer Findungskommission. Sie möchte anonym bleiben.

Von Anonym 09.11.2018

Eine Findungskommission ließ mich (Universitätsprofessorin und Institutsleiterin) über eine Unternehmensberatung als eine von drei Personen zu einem Gespräch einladen. Meine Aufgabe war, ein mehrseitiges Strategiepapier für das Institut zu entwerfen und vorzustellen.

Vor mir präsentierten zwei Männer, ein (ehemaliges) Mitglied des wissenschaftlichen Beirats und der Vize-Direktor des Instituts. Im Nachgang wurde ich durch die Unternehmensberatung informiert, die Findungskommission könne sich sehr gut vorstellen, dass ich ein außeruniversitäres Institut leiten könne, und ein Kleinstpersonenkreis würde jetzt die Beratung fortsetzen.

Schlussendlich wurden die beiden Männer ausgewählt, ich wurde über diesen Beschluss nicht informiert. Die Findungskommission bestand aus sechs Frauen, darunter wissenschaftliche Direktorinnen außeruniversitärer Institute, Wissenschaftlerinnen des Instituts (Gleichstellungsbeauftragte, Junior-Professorin) sowie eine Mitarbeiterin des Bundesministeriums, in Vertretung für ihren Abteilungsleiter.

Von den vier Männern waren drei anwesend, darunter der Vorsitzende, Abteilungsleiter Wissenschaft und Forschung des zuständigen Ministeriums des Landes, ein Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Instituts und Kooperationspartner des zukünftigen und bisherigen Institutsleiters sowie ein Universitätspräsident, der während meiner Präsentation anderweitig beschäftigt war und vorzeitig gehen musste. Für die Unternehmensberatung arbeiteten zwei Frauen.

Anonymisiertes Feedback an den Vorsitzenden der Findungskommission:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, nachdem ich vorletzte Woche aus der Presse erfahren habe, wie das Berufungsverfahren entschieden wurde, möchte ich Ihnen ein Feedback geben. Die Vize-Präsidentin des Großforschungs-Verbundes und die Gleichstellungsbeauftragte des Instituts habe ich auf cc gesetzt, da ich ihnen Diskussions stoff in ihre Gremien mitgeben möchte.

Ich freue mich, dass sich das von mir favorisierte Konzept der Doppelspitze durchgesetzt hat, und dass die Findungskommission offenbar befand, ich sei für die Leitung einer außeruniversitären Institution geeignet (persönliche Mitteilung, Unternehmensberatung). Ein schöner Erfolg, zumal oftmals bedauert wird, es gäbe zu wenig Frauen für Führungspositionen.

Ich beanstande nicht die Auswahl eines langjährigen Vertrauten des Instituts, aber ich beanstande:

  1. die Kosten, die aufgewendet wurden, einen objektiven und offenen Wettbewerb zu inszenieren,
  2. die Zeit, die ich und vielleicht auch andere verschwendet haben, im guten Glauben, es sei ein offenes Verfahren, und
  3. die herabwürdigende Betreuung durch die Unternehmensberatung. Ich war erstaunt, wie unprofessionell und voreingenommen agiert wurde: Emails wurden unvollständig beantwortet, die Bestätigung des Eingangs meines Strategiepapiers musste ich telefonisch erbitten, über die gewünschte Dauer meiner Vorstellung hatte die Unternehmensberatung mir gegenüber falsche Angaben gemacht und schlussendlich wurde ich noch nicht einmal über den Ausgang des Verfahrens informiert.

Ist das Honorar für die Unternehmensberatung gerechtfertigt? Wie unabhängig agiert die Unternehmensberatung und wie objektiv ist ein Verfahren, das vom betroffenen Institut finanziert wird?

Für mich war außerdem auffällig die Überzahl von Frauen in der Findungskommission und die heterogene Aufmerksamkeit der Männer während meiner Präsentation. War die Entscheidung schon längst gefallen und leisteten Frauen anschließend nur noch die pro forma Arbeit?

Wenn ernsthaftes Interesse besteht, mehr Frauen in Leitungspositionen zu etablieren, so wie der Großforschungs-Verbund das mit seinem Mentoring Programm propagiert, erfordert dies tatsächlich offene Verfahren.

Mit freundlichen Grüßen

Universitätsprofessorin (Die Autorin des anonymisierten Textes ist der Redaktion bekannt)