![Die Wissenschaft hat sich längst an digitale Formate für Konferenzen gewöhnt. Hat sich die Übergangslösung zum Bleiben eingerichtet? Forschung & Lehre hat sich umgehört. Laptopbildschirm mit einer laufenden Videokonferenz mit neun Teilnehmern](/fileadmin/user_upload/Rubriken/Karriere/2021/6-21/Videokonferenz_c_mauritius_images_2F9YJKG_955.jpg)
![Das Verhalten von Männern und Frauen auf Konferenzen unterscheidet sich, wie ein Forscherteam anhand des 61. Deutschen Kongresses für Geographie 2019 feststellt. Konferenzpublikum](/fileadmin/user_upload/Rubriken/Karriere/2021/10-21/Konferenz_c_mauritius_images_JWRMH4.jpg)
Geschlechterrollen auf Konferenzen
Wer mehr zuhört und wer mehr diskutiert
Das Konferenzverhalten von Männern und Frauen unterscheidet sich, berichtet ein Autorenteam um Professor Malte Steinbrink (Universität Passau) in der aktuellen Ausgabe von "Forschung & Lehre". Das Team hat die Partizipation und das Kommunikationsverhalten der Teilnehmenden des Deutschen Kongress für Geographie (DKG) 2019 in Kiel innerhalb eines Lehrforschungsprojekts untersucht. Die zugrundeliegende, in "Geoforum" veröffentlichte Studie untersuchte wissenschaftliche Tagungen als Bühnen der Selbstvermarktung, um ungleichen Karrierechancen von Männer und Frauen in der Wissenschaft nachzugehen.
Die Forschenden urteilen, dass es im Hinblick auf das Publikum keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Geschlechtern gebe. Die Teilnehmenden des DKG 2019 seien zu 47 Prozent Frauen und zu 53 Prozent Männer gewesen. Weibliche Tagungsgäste hörten sich etwas mehr Vorträge an und waren somit in den Plena mit 51 Prozent geringfügig in der Mehrheit.
Deutliche Unterschiede stellen sie in einer anderen Rolle fest: Die Leitungen der Sessions, die gewöhnlich von jeweils zwei Forschenden übernommen wurden, waren überdurchschnittlich oft von Männern besetzt. Es habe im Vergleich nur halb so viele von Frauen besetzte Sessionleitungsteams gegeben.
Bei den Rednerinnen und Rednern beschreiben die Forschenden eine differenzierte Situation: Einerseits seien positive Trends in der Gleichstellung der Geschlechter zu bemerken, insofern die Vortragenden nicht mehr wie in früheren Jahren fast ausschließlich Männer waren, sondern zu 46 Prozent Frauen. Allerdings beobachten die Forschenden auch, dass Wissenschaftler mit 44 Zuhörerenden durchschnittlich vor mehr Personen sprachen als Wissenschaftlerinnen, die nur ein Publikum von durchschnittlich 39 Menschen anzogen. Dabei hörten den Männern mehr Männer zu, während die Anzahl der Frauen im Publikum im Schnitt mit jeweils 21 konstant blieb, wie das Team um Steinbrink schreibt.
Bemerkenswert sei auch das Diskussionsverhalten im Anschluss an die Vorträge: Mit 61 Prozent sei die von Männern bestrittene Redezeit höher als zu erwarten, da Männer in den Plena geringfügig in der Minderheit waren. Je nach Geschlecht der vortragenden Person habe die Diskussionsfreude variiert: Diese war nach Vorträgen von Frauen ausgeprägter, was die Forschenden damit begründen, dass Frauen nach Vorträgen von Kolleginnen ausgiebiger mitdiskutierten als bei Präsentationen von Kollegen. Die Forschenden folgern daraus, dass gerade in Diskussionen weiterhin tradierte Rollenmechanismen zwischen den Geschlechtern am Werk seien. Allgemein verbessere sich die Geschlechtergerechtigkeit auf wissenschaftlichen Konferenzen zwar, beim Kommunikations- und Interaktionsverhalten der untersuchten Geographinnen und Geographen seien dennoch weiterhin Geschechterunterschiede zu bemerken, die die "scientific community" reflektieren müsse. Die Forschenden vermuten, dass ihre Ergebnisse auch über die Grenzen des eigenen Fachs verallgemeinerbar sind.
cpy