Frau sitzt vor einem Bildschirm, auf der eine Videokonferenz mit mehreren Teilnehmern läuft. Alle winken.
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Netzwerken in der Corona-Pandemie
Die Kontaktfreudigste kommt aufs Leaderboard

Die Corona-Pandemie verlagert Konferenzen ins Digitale. Wie netzwerkt es sich virtuell am besten? Eine Wissenschaftlerin teilt ihre Eindrücke.

Von Katrin Schmermund 21.04.2021

Um Maren Kropfeld fliegt Konfetti – zumindest virtuell. Die Doktorandin steht auf dem ersten Platz des Leaderboards einer Konferenz zu nachhaltigem Wirtschaften. Das hat ihr 20.400 Punkte und einen digitalen goldenen Pokal verschafft.

Der Preisrichter, das Konferenztool, hatte unter anderem ausgewertet, wie stark sich die Nachwuchswissenschaftlerin in Wirtschaftswissenschaften der Universität Oldenburg mit anderen in Chaträumen ausgetauscht, wie viele Fragen und Kommentare sie geschrieben oder ob sie auf andere Konferenzen oder wissenschaftliche Artikel aufmerksam gemacht hatte.

"Mich hat der 'Gamefication'-Aspekt gecatcht, also die Idee, in der App aktiv zu werden und dabei Punkte zu sammeln", sagt Kropfeld nach der Konferenz. Auch das Ranking habe sie "getriggert", "weil es eine Challenge war und natürlich Sichtbarkeit gegeben hat – zumindest unter denjenigen, die mal ins Ranking reingeschaut haben."

Sichtbarkeit in beruflichen Netzwerken und bei Konferenzen stärken

Auf Sichtbarkeit setzt Kropfeld nicht nur bei Konferenzen. Auf Plattformen wie LinkedIn hält sie ihr Profil aktuell, erstellt eigene Posts und teilt die Beiträge anderer. Über das Portal "speakerinnnen.org" engagiert sie sich als Rednerin zu Klimaschutz, Konsum und nachhaltigem Wirtschaften.

Portraitfoto von Maren Kropfeld
Die Wirtschaftsdoktorandin Maren Kropfeld nimmt seit der Corona-Pandemie an mehr Konferenzen teil als vorher. Die virtuelle Teilnahme habe einiges erleichtert, sie aber auch stärker unter Druck gesetzt, bei möglichst vielen Veranstaltungen dabei zu sein. privat

"Ich würde mich als extrovertierte Person bezeichnen, bin neugierig und habe mich schon immer gerne mit anderen ausgetauscht", sagt Kropfeld. In der Wissenschaft gehe sie das strategisch an – gerade im Digitalen. "Während meiner Promotion habe ich gemerkt, wie wichtig die eigene Sichtbarkeit und das Netzwerken in der Wissenschaft sind", sagt sie.

"Für unsere Forschung zu nachhaltigen Geschäftsmodellen arbeiten wir eng mit Unternehmen zusammen, um unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse zu testen. Damit eine Zusammenarbeit zustande kommt, muss ich auf andere zugehen." Auch nutze sie die Chance, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem eigenen Fachbereich oder anderen Disziplinen kennenzulernen, mit denen sich interessante Kooperationen ergeben könnten. Vor einer Konferenz überlegt sich Kropfeld daher genau, was sie sich davon verspricht, mit wem sie reden und was sie selbst beitragen will. Kropfelds Stichwort: Den "purpose" vor Augen halten.

Bei virtuellen Konferenzen sollten Austauschmöglichkeiten in Kleingruppen ein fester Bestandteil des Programms sein, meint die Wissenschaftlerin. Fänden "meet-ups" dagegen in den Pausen statt, nehme sie häufig nicht teil, "um mal vom Bildschirm wegzukommen". Teils habe sie auch an sogenannten "virtual lunch walks" teilgenommen, bei denen sich Teilnehmende über ihr Smartphone während eines Mittagsspaziergangs weiter austauschen können, dann aber ohne Video und nicht so aufmerksam wie während des eigentlichen Programms.

Bei virtuellen Konferenzen komme es laut Kropfeld stärker als analog auf die Einzelnen an, ob sie überhaupt mit anderen ins Gespräch kämen. "Der zufällige Plausch auf dem Flur oder auf dem Weg zum Buffet fällt weg." Die Kontaktaufnahme als solche sei dagegen virtuell leichter als analog. Das könne introvertierten Menschen entgegenkommen, meint Kropfeld: "Sind Konferenzen technisch gut organisiert, kann ich in meinem Profil ein Bild hinterlegen und es mit meinem Account bei LinkedIn oder einem anderen beruflichen Netzwerk verlinken. Wird während der Konferenz eine Person auf mich aufmerksam, kann sie über wenige Klicks mehr über mich erfahren und mich anschreiben."

Virtuelles Netzwerk: Viele Kontakte, flüchtige Verbindungen

In den vergangenen Monaten habe sie an mehr Konferenzen teilgenommen als vor der Pandemie, sagt Kropfeld, "weil sie kostenlos beziehungsweise günstiger waren und ich nicht reisen musste". Sie habe in der Zeit auch mehr Kontakte geknüpft – eine Chance, aber "im Schnitt halte ich die Kontakte für oberflächlicher als solche, die aus einem persönlichen Treffen hervorgehen", sagt sie. "Ich hoffe, das bald nachholen zu können, damit sie auch möglichst lange halten."

Für die Zukunft wünscht sich Kropfeld das Beste aus beidem: virtueller und analoger Konferenz. "Ich würde mich freuen, wenn bei Konferenzen neben den herkömmlichen Tickets häufiger auch vergünstigte Online-Tickets angeboten würden", sagt sie. "Die würde ich zum Beispiel nutzen, wenn ich mir unsicher bin, wie viel mir eine Konferenz bringt. Dann könnte ich mal reinhören und im besten Fall doch einiges mitnehmen." Außerdem sei es eine gute Option, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zeitlichen oder finanziellen Gründen nicht vor Ort teilnehmen könnten, oder aufs Fliegen verzichten wollten. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werde es gleichzeitig noch wichtiger, eine bewusste Auswahl an Konferenzen zu treffen und nicht der Erwartungshaltung zu verfallen, bei allem dabei sein zu müssen.  Das habe sie auch schon bei sich selbst gemerkt.