Notizen auf einem Block zum "Webinar"
mauritius images/YAY Media AS/Alamy

Online-Kurse
Tipps für die digitale Lehre

Viele Dozierende erstellen aufgrund der Coronakrise zum ersten Mal digitale Lehrveranstaltungen. Der Dozent einer Fernuni teilt seine Erfahrungen.

Von Christoph Pinsdorf 31.03.2020

Ich erinnere mich noch gut an die Worte, mit denen mich Lehrstuhlinhaberin, Professorin Gräfin von Schlieffen, in meine erste digitale Veranstaltung schickte: "Ein bisschen Lampenfieber gehört immer dazu. Das ist gut", sagte sie. Als ich dann aber auf meinem Schreibtisch die zwei angeschlossenen Bildschirme sah, eine Webcam auf dem einen, ein Headset auf dem anderen, eine Softbox zur Ausleuchtung des Raumes links und ein Grafiktablett mit digitalem Zeichenstift rechts der Bildschirme, hatte ich mehr als nur Lampenfieber. Ich hatte beschönigend ausgedrückt gehörigen Respekt.

Meine größte Sorge war – wie auch heute noch beim Ausprobieren neuer digitaler Möglichkeiten – dass ich die zu verwendenden Tools nicht fehlerfrei, nicht schnell, nicht sicher genug beherrsche.  Zwar hatte ich mich damals intensiv mit den zu behandelnden Lehrinhalten auseinandergesetzt, konnte sie nahezu auswendig, wusste aber nicht, wie ich während der Veranstaltung den Lernerfolg der Studierenden effizient und aussagekräftig überprüfen kann. Ich kann die Gesichter der Studierenden in der digitalen Lernumgebung nicht sehen und wusste am Anfang nicht, wie ich einschätzen kann, ob ich die Lehrinhalte in ausreichender Tiefe behandelt habe. Jeden Studierenden einzeln zu fragen, ist bei einer größeren Teilnehmerzahl schon aus Zeitgründen nicht möglich. Auch habe ich mir Druck gemacht eine gute Veranstaltung zu halten, weil ich wusste, dass diese aufgezeichnet wird und dauerhaft auf der Lernplattform des Studienkurses zum Download bereitsteht.

Formen der digitalen Lehre

Das Streamen in Echtzeit ist nur eine Form der digitalen Lehre an den Hochschulen. Derzeit sind viele Dozierende angehalten, ihre digitalen Lehrveranstaltungen deutlich kürzer zu halten als in der Präsenzlehre und sie nicht live zu halten. Das reduziert die Serverkapazität der Rechenzentren. Beispiele zur synchronen und asychronen digitalen Lehre hat etwa die TU München gesammelt. Das Hochschulforum Digitalisierung hat ein Informationsportal zur digitalen Lehre online gestellt.

Suche nach den passenden Tools

Die inhaltliche Vorbereitung auf eine digitale Lehrveranstaltung unterscheidet sich bei Veranstaltungen in Echtzeit meiner Meinung nach nicht von der Vorbereitung auf eine Präsenzlehrveranstaltung. Den Lehrstoff, den man mit den Studierenden einüben will, sollte man beherrschen. Ansonsten hilft auch kein digitales Tool weiter.
 
Kolleginnen und Kollegen, die bereits Erfahrung mit der digitalen Lehre hatten, haben vor allem betont, dass es darauf ankommt, die Distanz zu den Studierenden zu überwinden und diese zur aktiven Teilnahme zu ermutigen. Man sollte keine Angst vor der Nutzung neuer Tools haben. Studierende freuen sich über den Einsatz neuer Tools und verzeihen in aller Regel kleinere Verzögerungen im Bedienungsablauf sehr großzügig, soweit ihnen das neue Tool einen Mehrwert bietet. Das zeigen auch die E-Mails, die ich im Nachgang zu den Veranstaltungen erhalte.

Meine Lehrveranstaltungen halte ich über die Software "Adobe Connect". Das Programm ist einfach zu bedienen und von Anfängern leicht zu erlernen. Die Bedienelemente – zum Beispiel Video- und Tonübertragung, Textchat, Freigabemöglichkeiten für Präsentationen und Bildschirminhalte – sind übersichtlich angeordnet. Die einzelnen Funktionen sind zum größten Teil selbsterklärend. Das
Buchen und Einrichten der virtuellen Räume für die Lehrveranstaltungen geht zügig. Das Design der virtuellen Räume lässt sich mit wenig Aufwand selbst gestalten und den eigenen Bedürfnissen und Lehrinhalten anpassen. Andere Universitäten verwenden ähnliche Software-Programme zum Abhalten virtueller Lehrveranstaltungen, die sich in den zur Verfügung gestellten Funktionen teilweise unterscheiden. Zu nennen sind beispielsweise Software-Programme wie "Zoom" oder "GoToMeeting".

Anfangs habe ich die Studierenden während der virtuellen Lehrveranstaltungen teilweise zu intensiv in die Kommunikation eingebunden. Da ich den Lernerfolg der Studierenden laufend überprüfen wollte, habe ich in den ersten virtuellen Lehrveranstaltungen zu viele Fragen an die Teilnehmer gerichtet, zu viele mündliche Antwortvorschläge eingeholt und individuell bewertet beziehungsweise verbessert. Daher bin ich, vor allem wenn eine große Zahl von teilnehmenden Studierenden zu erwarten ist, dazu übergegangen, nach jeder Teileinheit ein generelles Zwischenfeedback von den Studierenden einzuholen. Welche Fragen sind noch offen geblieben? Welche Punkte sind bereits verstanden worden?

Quizze zur Lernstandskontrolle

Eine effiziente Möglichkeit zur Kontrolle des Lernstandes bieten nach meiner Erfahrung vor allem Quizze, bei denen die Studierenden anhand weniger Kontrollfragen das gerade Erlernte anwenden können. Anhand der gegebenen Antworten, insbesondere anhand der prozentualen Verteilung der gewählten Antwortmöglichkeiten, lassen sich sofort Schwachstellen der eigenen Lehre ausmachen und ausbessern. Individuelle Fragen beantwortet während meiner Veranstaltungen mittlerweile eine Kollegin im Zwei-Personen-Chat. Die Möglichkeit ist sehr hilfreich. Vorher habe ich solch individuelle Fragen dann nach den Veranstaltungen per E-Mail beantwortet.

Um die Rückmeldungen der Studierenden einzubinden, können Dozierende ergänzende Tools nutzen. Hilfreich finde ich das Grafiktablett, ein so genanntes Stift-Display. Auf dem Display des Tabletts wird die Bildschirmoberfläche angezeigt, auf der ich mit einem digitalen Stift bei Bedarf Markierungen, Ergänzungen oder Unterstreichungen vornehmen kann. Mit etwas Übung lässt sich die gesamte Betriebsoberfläche von Adobe Connect mit dem digitalen Stift steuern.

Insbesondere in Situationen, in denen ich die Einfälle und Lösungsansätze der Studierenden erfassen, visualisieren und gegenüberstellen möchte, entfaltet das Grafiktablett sein gesamtes Potential: Meine recht unleserliche Handschrift lässt sich in digitale Buchstaben umwandeln. Die digitalisierten Inhalte können frei verschoben und arrangiert werden. Für die gemeinsame Entwicklung eines Falllösungskonzepts ist das Grafiktablett Gold wert. Allerdings bedarf die Bedienung einer längeren Übungs- und Eingewöhnungszeit, so dass der Einsatz von Grafiktabletts meines Erachtens eher für die fortgeschrittene digitale Lehre zu empfehlen sein dürfte.

Wem kein Grafiktablett zur Verfügung steht, könnte ein Software-Tool für einen digitalen Notizblock, zum Beispiel OneNote, ausprobieren. Die Beiträge der Studierenden können dann zwar nicht handschriftlich erfasst, sondern müssen mit Hilfe der Tastatur eingegeben werden, allerdings kann man auch bei diesem Tool die erfassten Ideen mit Hilfe der Maus frei arrangieren und gegenüberstellen. In einer Live-Lehrveranstaltung kostet die Bedienung des Tools erfahrungsgemäß jedoch etwas mehr Zeit als beim Einsatz eines Grafiktabletts.

Um die aktive Auseinandersetzung der Studierenden mit den Lerninhalten anzuregen, lohnt sich meines Erachtens der Einsatz von "H5P". Mit dieser Software lassen sich zum Beispiel interaktive Videos, Präsentationen und Zeitstrahle sowie spielerische Elemente wie Zuordnungsaufgaben, Sortieraufgaben oder Memory-Spiele erstellen und als eigenständige Aktivität in die moodle-Lernplattform der FernUniversität Hagen einbauen. Die reibungslose Bedienung des Programms erfordert allerdings ebenfalls etwas mehr Übung.

"Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, vor und nach den Lehrveranstaltungen eine Art Evaluationsgespräch zu führen."

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, vor und nach den virtuellen Lehrveranstaltungen eine Art Gruppenevaluationsgespräch zu führen. Studierende, die sich 20 Minuten vor Beginn der Veranstaltung in den virtuellen Klassenraum einloggen oder nach der Veranstaltung noch circa 15 bis 30 Minuten Zeit entbehren wollen, können sich an einer Gruppendiskussion beteiligen. Wir sprechen darüber, wie sie ihren Wissensstand bewerten beziehungsweise wie sie eine gerade abgeschlossene Veranstaltung fanden. Diese Gespräche werden nicht aufgezeichnet.
 
Mir hat das Feedback der Studierenden sehr geholfen, meine Art des Lehrens zu überdenken und zu verbessern. Eine diverse Studierendenschaft hat unterschiedliche Bedürfnisse, aber in der Regel gibt es für jeden Studierenden das richtige Tool. Um das zu finden, lohnt sich das Umhören bei Kolleginnen und Kollegen am eigenen Lehrstuhl und an anderen Lehrstühlen und insbesondere natürlich bei den Mitarbeitenden des Zentrums für Medien und IT. So habe ich verschiedene Tools zur Überprüfung des Lernerfolgs kennengelernt, wie virtuelle Abstimmungen oder Multiple-Choice-Fragen nach einzelnen Lehrabschnitten.

Über den Autor

Christoph Pinsdorf hält am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, juristische Rhetorik und Rechtsphilosophie der FernUniversität in Hagen Kurse im rechtswissenschaftlichen Propädeutikum. Mit den Studierenden übt er die Lerninhalte, die ihnen zuvor über Skripte der FernUniversität vermittelt wurden. Dafür bearbeitet und löst der Dozent mit den Studierenden einfache rechtsgebietsübergreifende Fälle. Seine Veranstaltungen sind live und werden im Anschluss auf der Lernplattform "Moodle" online gestellt.