Hand eines Mannes im Anzug mit einem Bündel 50-Euro-Scheine
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Missbrauch in der Wissenschaft
"Hören Sie auf, sexuellen Missbrauch zu finanzieren"

Ein Gender-Forscher hat Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung in der Wissenschaft vorgeschlagen. Vor allem Unabhängigkeit sei dabei wichtig.

25.10.2019

Auf die Frage, wie sexuelle Belästigung im Wissenschaftsbetrieb verhindert werden kann, hat ein Gender-Forscher eine klare Antwort gegeben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten ihre Forschungsförderungen direkt erhalten, anstatt über ihre Arbeitsgruppen- oder Institutsleitungen. Das würde die ökonomische Unabhängigkeit der Forschenden stärken und so verhindern, dass mit Fördergeldern "sexueller Missbrauch finanziert" wird, sagte der schwedische Experte für Gleichstellung der Geschlechter Dr. Fredrik Bondestam auf einer Konferenz, über die "Times Higher Education" (THE) berichtete.

"Falls Sie sexuell belästigt werden und Ihre Arbeitsgruppe verlassen müssen, dann verlassen Sie die Gruppe so wenigstens mit Finanzierung", sagte Bondestam demnach auf der Konferenz "Research and innovation excellence through gender equality", die am 23. und 24. Oktober in Helsinki stattfand. "Hören Sie auf, sexuellen Missbrauch zu finanzieren. Das bedeutet, das Geld nicht nur den Gruppenleitungen zu geben, ethische Verträge abzuschließen und sich dessen bewusst zu sein, dass Geld sexuellen Missbrauch produziert", so der Direktor des Schwedischen Sekretariats für Geschlechterforschung an der Universität Göteborg.

Laut Bondestam gebe es in Europa kaum aktuelle nationale Statistiken über sexuelle Belästigung in der Wissenschaft. Auch befristete Verträge kritisierte der Experte laut Berichterstattung von THE: Diese seien ein "Risikofaktor, um bei Missbrauchsfällen eine Kultur des Schweigens zu kreieren". Universitäten sollten befristete Verträge daher abschaffen. Über die angemessene Zahl der befristeten Verträge in der Wissenschaft streiten sich Hochschulen und Politik seit langem. Die Kanzlerinnen und Kanzler deutscher Universitäten hatten Befristungen kürzlich in der "Bayreuther Erklärung" verteidigt.

Da es durch gesetzliche Barrieren, so Bondestam, fast unmöglich sei, einen Professor zu entlassen, schlägt er Universitäten vor, "akademische Sanktionen" für sexuelle Belästigung einzuführen. Darunter versteht er bei "für schuldig befundenen" Wissenschaftlern etwa ein fünfjähriges Verbot, Doktoranden zu betreuen.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist in Deutschland nach wie vor stark verbreitet, nicht nur in der Wissenschaft. Das zeigt eine aktuelle Studie, die die Antidiskriminierungsstelle des Bundes am Freitag veröffentlichte. Jede elfte erwerbstätige Person hat demnach in den vergangenen drei Jahren sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Bei den belästigenden Personen handelte es sich in 43 Prozent der Fälle um Kolleginnen und Kollegen, bei 19 Prozent waren es Vorgesetzte oder betrieblich höhergestellte Personen. Frauen waren mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer, heißt es in der Studie des Instituts für empirische Soziologie der Universität Erlangen-Nürnberg.

ckr