Die chinesische Wirtschaftsuniversität Haikou ist groß, hat viele Fahnen vor dem Gebäude und typisch asiatische Bauelemente.
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Wissenschaftspraxis
Neue Handlungs-Empfehlungen zu akademischer Zusammenarbeit mit China

Der DAAD hat Kooperations-Ratschläge veröffentlicht. Das Papier enthält drei Leitprinzipien für den Umgang mit dem chinesischen Wissenschaftsbetrieb.

15.01.2024

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat ein Empfehlungspapier für die akademische Zusammenarbeit mit China veröffentlicht. Darin werden drei allgemeine Leitprinzipien für deutsche Hochschulen im Umgang mit chinesischen Partnern genannt: Dieser sollte "interessensorientiert, risikoreflexiv und kompetenzbasiert" gestaltet werden. 

Dafür liefert das Papier konkrete Handlungsanweisungen. Entwickelt wurden diese vom DAAD basierend auf der China-Strategie der Bundesregierung und dem Austausch mit Partnern in China und Deutschland. Dabei habe sich auch gezeigt, dass sich die Länder immer weiter voneinander entfernten. Gründe dafür sind laut Veröffentlichung vor allem: Finanz- und Freiheitsprobleme. 

Die Zahl der Gastaufenthalte in China geht zurück 

Laut der Analyse der deutsch-chinesischen Hochschul- und Wissenschaftskooperationen, erhoben vom DHZW und DAAD, waren im Jahr 2021 nur noch 120 deutsche Forschende in China. Das ist im Vergleich zu 2015 ein Rückgang von über achtzig Prozent. 

Ein Grund dafür sei die Abschottung des Landes während der Jahre der Null-Covid-Politik. In dem Papier heißt es "dass sich die Zahlen in den kommenden Jahren trotz der weggefallenen Corona-Beschränkungen nur langsam erholen werden" und das sei "Anlass zur Sorge". 

Es drohe eine Schieflage in den Beziehungen, da in Deutschland die China-Kompetenz rückläufig sei, wohingegen das Interesse Chinas an Deutschland eher zunehme, auch weil dort massiv in Wissenschaft und Forschung investiert werde. 

China investiert massiv in die Wissenschaft, Deutschland nicht 

424 Milliarden Euro stecke das asiatische Land in Hochschulen und liege damit auf Platz zwei hinter den USA mit 660 Milliarden Euro. Laut DAAD wird China die Europäische Union bei der Anzahl der Hochschulen bald überholen. Jetzt schon gebe es dort doppelt so viele Absolvierende wie in der EU. 

Im kommenden Jahr soll die Zahl der MINT-Promovierenden in China doppelt so hoch sein wie in den USA, so eine Analyse der Georgetown University. Der chinesischen Regierung geht es aber auch um Qualität. 

Vergangenes Jahr schafften es elf Universitäten der Volksrepublik in die Top 100 des "Shanghai-Rankings" und sieben in die Top 100 des THE World University Rankings. Der DAAD diagnostiziert daher, dass der wissenschaftliche Einfluss Chinas und die Forschungsstärke entsprechend zunehmen werden. 

"Der konsequente Ausbau der China-Kompetenz sollte vorzugsweise mit eigenen Ressourcen und in unabhängigen Strukturen geschehen"
Professor Joybrato Mukherjee, DAAD-Präsident

In Deutschland sieht das ganz anders aus. Hierzulande werden weniger als die Hälfte, 148 Milliarden Euro, in Hochschulen investiert. Dabei wäre laut DAAD-Präsident Professor Joybrato Mukherjee mehr Geld so wichtig. "Die in der Strategie der Bundesregierung zu Recht geforderte China-Kompetenz muss konsequent ausgebaut werden. Dies sollte vorzugsweise mit eigenen Ressourcen und in unabhängigen Strukturen geschehen", so Mukherjee, der seit diesem Jahr Präsident der Universität Köln ist. Nur so werde es dem deutschen Wissenschaftssystem gelingen "eigene Interessen in der gemeinsam Wissensgenerierung zu wahren, den Zugang zu chinesischen Institutionen als wichtigen Akteuren im internationalen Wissenschaftssystem zu erhalten, Risiken fundiert zu beurteilen und zu vermeiden". 

Konkrete Handlungsempfehlungen für den Umgang mit China 

Der DAAD hat folglich das jetzt veröffentliche Empfehlungspapier für deutsche Hochschulen und ihren Umgang mit dem chinesischen Wissenschaftsbetrieb erarbeitet und darin drei Leitprinzipien sowie dazugehörige Handlungsempfehlungen entwickelt. 

  • "Eigene Interessen definieren und symmetrische Beziehungen aufbauen" gelinge deutschen Hochschulen, indem sie verbindliche Kooperationsziele formulieren, 
  • mehr chinesische Forschende gewinnen 
  • und sie besser integrieren, 
  • sowie gemeinsame Hochschulprogramme wechselseitig anzulegen. 
  • Zudem sollten deutsche Forschende in Zukunft überlegen und darlegen, welche Vorteile ihnen die Kooperationen bieten. 

Auch für die anderen Leitprinzipien hat das neue DAAD-Papier konkrete Handlungsratschläge. Für "Risiken minimieren und Transparenz herstellen", 

  • sollten sich deutsche Hochschulen einen Überblick über die Kooperationen und Kooperierenden verschaffen, 
  • Kriterien basierte Abwägungsprozesse zur Bewertung von Kooperationen einsetzen,
  • und Dual-Use-relevante Forschende mit fakultätsspezifischen oder hochschulweiten Exportkontrollstellen kooperieren und Hochschulleitungen solche Prüfverfahren umfänglich bekannt machen. 
  • Darüber hinaus sollten Hochschulleitungen "Due-Diligence"-Prüfverfahren stärken, um zu prüfen, ob chinesische Partner Berührungspunkte mit sicherheitsrelevanter Forschung haben oder nicht. 
  • Außerdem sollten eigene Grundsätze benannt und "common grounds" identifiziert werden. 

Bündeln von Chinaexpertise statt defensiver Haltung 

  • "Chinakompetenz aufbauen" kann laut DAAD-Papier gelingen durch das Bündeln von Chinaexpertise und -kompetenz an Hochschulen. 
  • Gleichzeitig soll aber auch die individuelle Chinakompetenz bei Forschenden und Studierenden gestärkt werden. 
  • Dabei können Sprachlehr-, Informations- und Schulungsangebote helfen. 
  • Der DAAD rät davon ab, eine defensive Haltung gegenüber China einzunehmen, stattdessen lieber 
  • "Chinesische Partner einbinden, eigene Unabhängigkeit wahren". 

In seiner Analyse macht der DAAD deutlich, welche Gefahren sonst drohen: Auch wenn China internationale Standards im Hochschul- und Wissenschaftsbereich erreiche, werde das Land zentral gesteuert und überwacht. Zudem bestehe eine enge zivil-militärische Verschränkung und machtpolitische Verankerung mit der Wissenschaft.

Erste Reaktionen aus der Wissenschaft zu den DAAD-Empfehlungen

Zur Umsetzung der China-Strategie im Hochschulbereich sei es wichtig, ein klares Bewusstsein für die Chancen, aber auch die Risiken einer Wissenschaftskooperation zu haben, gibt Table.Media die Einschätzung von Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), wieder. Dieses Bewusstsein sei auf Hochschulleitungsebene vorhanden, allerdings auf heterogenem Niveau bezüglich China-Wissen und China-Erfahrung, so dass diese Kompetenzen ausgebaut werden müssten. 

Aus Sicht der HRK sei es wichtig, bei diesem Ausbau von Wissen und anwendungsbezogenen Kompetenzen alle Fachdisziplinen und interdisziplinären Ansätze sowie Sprachkompetenz im Chinesischen zu berücksichtigen. Zudem müsse das Risikomanagement strukturell in die internationale Kooperation integriert werden. Dies zeigten Erfahrungen aus dem Ausland. 

Laut Table.Media äußerte sich Jeroen Groenewegen-Lau vom Forschungsinstitut Merics dahingehend, dass deutsche Wissensinstitutionen bereit sein sollten, sich selbst als strategische Akteure auf einem geopolitischen Schachbrett zu betrachten. Der Wettbewerb werde sich massiv verschärfen, da Peking unter anderem entschlossen das Ziel verfolge, die globale Supermacht in Wissenschaft und Technologie zu werden. 

Dieser Artikel wurde am 18.1. um 15:30 Uhr aktualisiert. Zuerst veröffentlicht wurde er am 15.1.2024

kfi/cva