Ein Gebäude der Technischen Universität in Berlin
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Gebäudemanagement
Wie die Hochschulsanierung besser vorankommen kann

Steigende Kosten, verfallene Gebäude, Sanierungsstau: Es wird Zeit, dass Bund, Länder und Hochschulen neue Wege gehen.

Von Lars Oeverdick 22.08.2023

Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wurden in vielen Teilen Deutschlands, insbesondere aber  in Berlin, über die letzten Jahrzehnte vernachlässigt. Die Folgen machen sich gerade massiv bemerkbar – sie betreffen nicht nur, aber in besonderem Maße die Hochschulen.

Allein der Sanierungsstau für die staatlichen Berliner Hochschulen beträgt über acht Milliarden Euro, die Technische Universität (TU) mit ihren 100 Gebäuden und über 60 Prozent denkmalgeschütztem Bestand macht davon knapp 2,4 Milliarden Euro aus. Wohl gemerkt, dies ist eine statische Summe mit dem Indexstand 3. Quartal 2021, die Summe bildet also noch keine Kostensteigerungen in die Zukunft ab.

Jedes weitere Jahr, in dem nicht oder nicht genügend saniert und/oder gebaut wird, erhöht den Bedarf weiterhin. Dazu kommt das Problem des Fachkräftemangels nicht nur im IT-Bereich, sondern vor allem auch im Handwerk und der Fachtechnik, der sich auch an der TU in besonderem Maße bemerkbar macht. Hier wird der Öffentliche Dienst flexibel werden müssen, um im Vergleich zur freien Wirtschaft als Arbeitgeber wieder attraktiver zu werden. 

Verheerender Sanierungsstau in Berlin

Aber zurück zu den Gebäuden: Allein in den letzten Wochen musste die TU Berlin ein großes Gebäude, das der Mathematik, schließen. Es gab weitere massive Wasserschäden im Chemie- und im Physikgebäude.

Die Ursachen sind unterschiedlich und nicht allein auf den Sanierungsstau zurückzuführen. Havarien kann und wird es immer wieder geben. Die Vorfälle machen aber deutlich, in was für einem kritischen Zustand sich die Gebäude befinden. Man kann davon ausgehen, dass die Schäden in sanierten und modernisierten Gebäuden weit weniger massiv ausgefallen wären.

Solide Gebäude sind das Fundament für exzellente Forschung und Lehre. Der Erhalt und die Sanierung der Gebäude bzw. Neubauten sind die Grundlage, um Lehre, Wissenschaft und Forschung im (Berliner) Wissenschaftsbetrieb überhaupt auf Dauer und auf einem guten Niveau aufrechterhalten zu können.

Schon nach den Studierendenzahlen gehört die TU Berlin weiterhin zu den großen Universitäten Deutschlands und bietet in Berlin ein umfangreiches Studienangebot an. Nicht zuletzt auch wegen der hohen Studierendenzahlen verzeichnen wir einen hohen Flächenbedarf, den wir decken, erhalten und fortentwickeln müssen. Dies ist notwendig um beste Qualität in Studium und Lehre gewährleisten zu können. 

Mit welchen Maßnahmen kann man dem Sanierungsstau beikommen?

Was braucht es nun, um aus dieser schwierigen baulichen Situation herauszukommen? Ein Bundesland allein wird Summen in Höhe von über acht Milliarden Euro, wie im Falle Berlins, nicht auf einmal aufbringen können.

Wir brauchen aufbauend auf der bereits vorgelegten Hochschulstandortentwicklungsplanung (HSEP) der elf einzelnen Berliner Hochschulen eine mittel- bis langfristige Strategie zur Umsetzung und Finanzierung. Mit der HSEP wurden die Dringlichkeiten und Prioritäten dargestellt, aber es besteht die Gefahr, dass die Sanierungen und Neubauten über die Anmeldung in der Investitionsplanung nicht ausreichen beziehungsweise nicht in ausreichendem Umfang bewilligt werden. Neben Bundesförderungen nach § 91b für unsere neuen Forschungsbauten "Interdisziplinäres Zentrum für Modellierung und Simulation" (IMOS) und "der Simulierte Mensch" (SIM) braucht es weitere Fördermöglichkeiten und eigene Initiativen, um weitere Baumaßnahmen, Sanierungen und Ertüchtigungen vorzunehmen.  

"Wir können jetzt auf den Zustand hinweisen und handeln oder müssen in einigen Jahren noch mehr Gebäude schließen."

Unsere Lage ist so ernst, dass die TU mittels eines offenen Briefes an die Berliner Politik mit konkreten Forderungen appelliert hat. Und auch darüber hinaus war die TU Berlin in den letzten Wochen medial sehr präsent; zurecht, da der Zustand bei uns ohnehin offen auf der Hand liegt, wir am Ende aber auch nur exemplarisch für die Probleme der meisten staatlichen Hochschulen – nicht nur in Berlin –  stehen.

Natürlich kann man es kritisch sehen, auf den maroden Zustand unserer Gebäude so offen hinzuweisen. Aber wir haben gar keine andere Wahl. Es muss jetzt etwas passieren, wenn Deutschland als Forschungs- und Wissenschaftsstandort attraktiv bleiben soll. Wir können jetzt auf den Zustand hinweisen und handeln oder stehen in einigen Jahren vor einer noch schlimmeren Situation und müssen noch mehr Gebäude schließen. 

Wir fordern ein Zusammenspiel aus Maßnahmen und unterschiedlichen Finanzierungen. Es müssen kurzfristig deutlich mehr Gebäude in die Investitionsplanung – in unserem Fall des Landes Berlin – aufgenommen werden. Ein seit 2018 angekündigter Baukorridor muss mittelfristig kommen, um langwierige Anmeldungen in der Investitionsplanung durch schlankere Verfahren und mehr Eigenständigkeit der Hochschulen zu ersetzen. Es müssen mehr Anträge auf Bundesmittel gestellt werden. Der Bund muss hierfür seine Budgets erhöhen und (Planungs-) Verfahren müssen bundes- oder landesgesetzlich deutlich verschlankt werden. Berlin ist das einzige Bundesland, das sich aktuell noch ein dreistufiges Planungsverfahren leistet – auch hier liegt deutliches Potenzial zur Beschleunigung. Unsererseits sind wir bereit, auch eigene Rücklagen zum Abbau des Sanierungsstaus einzusetzen und Baumaßnahmen selbst in Planung und Ausführung zu übernehmen. 

Private Geldgeber als neue Möglichkeiten?

Ausgehend vom neuen Koalitionsvertrag in Berlin sind wir auch bereit, neue Finanzierungsmöglichkeiten und Wege zu gehen – zum Beispiel durch Kooperationen mit Dritten. Solche Modelle und Kooperationen wurden in der Vergangenheit in Bund und Ländern unterschiedlich, teils recht kritisch gesehen. Sie haben aber auch klare Vorteile, die man in der jetzigen Situation nicht ignorieren kann oder sollte. Eine Zusammenarbeit mit privaten oder öffentlichen Dritten erfordert weniger Kapazitäten auf Seiten der Hochschule oder des Landes, der Einfluss auf das Verfahren bleibt aber bestehen. Durch externes Kapital und externe Bau- und Personalkapazitäten können wir eine deutlich erhöhte Geschwindigkeit im Prozess erreichen und wären nicht mehr vorrangig von der Investitionsplanung eines Landes abhängig. Die Kosten für die Hochschulen beziehungsweise das Land ließen sich über die Laufzeit der für den Dritten bestellten Sicherheiten, Mietdauer und -höhe, sowie frei zu vermietende andere Flächen und den zu definierenden Sanierungs- und Ausbaubedarf steuern. Hier würden wir uns ein klares Signal der Berliner Politik wünschen, gemeinsam in diese Richtung zu denken und zu wirken.