Drei Roboter stehen in einem Hörsaal vor einer Kreidetafel
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Digitalisierung
So setzen Lehrende KI im Hochschulalltag ein

ChatGPT und KI sind längst Teil des Hochschulalltags. Professorinnen, Professoren und Studierende berichten von ihren aktuellen Erfahrungen.

20.09.2023

Die breite Verfügbarkeit textgenerierender Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) verändert den Alltag in Forschung und Lehre schon heute. Der Siegeszug der neuen Technologie, auch an den Hochschulen, scheint unaufhaltsam, doch die Unsicherheit im Umgang damit ist nach wie vor groß. Daher werden immer mehr Stimmen laut, die Regularien und Richtlinien fordern.

Doch in welcher Form wird KI heute überhaupt schon im Kontext Hochschule genutzt? Und was für Erfahrungswerte gibt es? "Forschung & Lehre" hat nachgefragt – bei der Hochschulleitung, bei Forschenden, Lehrenden und Studierenden.

Porträtfoto von Professor Dr. Imtraud Huber
Professor Dr. Irmtraud Huber lehrt an der Universität Konstanz. Universität Konstanz

Prof. Dr. Irmtraud Huber, Anglistik und Amerikanistik, Universität Konstanz

"Der Einsatz von KI lässt sich nur sehr schwer kontrollieren. Allerdings sind die Programme noch nicht ausgereift genug, um eigenständige Arbeit sinnvoll zu ersetzen. ChatGPT zitiert fehlerhaft, belegt unzulänglich und argumentiert in erster Linie mit Platitüden und Worthülsen. Solch gut formulierter aber gedankenloser Prosa gegenüber bin ich nun eben noch kritischer, insbesondere, wenn sie einen Großteil von Arbeiten ausmacht. Vor ChatGPT hätte ich einen solchen Text vielleicht noch in Anerkennung der sprachlichen Kompetenz als genügend durchgewinkt, jetzt muss ich strenger sein.

In der Lehre habe ich KI bisher noch wenig eingesetzt, erlaube meinen Studierenden aber dieses Semester optional anstatt einer klassischen Hausarbeit eine kritische Reflexion über einen von ChatGPT verfassten Text zu schreiben."

Valentin Steffen, studiert Audiovisuelle Medien an der Hochschule der Medien in Stuttgart (2. Semester)

"Positiv wirkt sich die KI durch die schnelle Beantwortung kurzer Zwischenfragen aus. So kann die KI binnen Sekunden komplizierte Fachwörter und Prozesse erklären. Dies macht das Lernen nicht nur deutlich einfacher, sondern spart auch eine Menge Zeit. Außerdem zeigt mir die KI, weswegen meine spezifische Lösung falsch und die vom Dozenten hochgeladene Musterlösung richtig ist. Noch vor einem Jahr hätte ich mir in diesem Fall mehrere Videos auf YouTube anschauen müssen und wäre möglicherweise zu keiner Lösung gekommen.

Durch die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten der KI kam es in der Vergangenheit vor, dass ich beim Lernen den falschen Fokus gesetzt habe. Anstatt die Materialien meines Dozenten durchzulesen, habe ich die KI nach klausurrelevanten Themen ausgefragt und diese auswendig gelernt. Es überrascht kaum, dass die Antworten nicht immer mit denen meines Dozenten übereinstimmten, da die KI keinen Einblick in die spezifischen Unterthemen hat, die mein Professor behandelt hat."

Eine private Porträtaufnahme von Valentin Steffen
Valentin Steffen studiert Audiovisuelle Medien in Stuttgart. privat
Porträtfoto von Professor Dr. Clemens Cap
Professor Dr. Clemens Cap lehrt an der Universität Rostock. Universität Rostock

Prof. Dr. Clemens Cap, Informations- und Kommunikationsdienste, Universität Rostock

"Wenn ich Stilbrüche entdecke, generische, seichte oder unpräzise Argumentation, dann spreche ich das an. Wenn ich das erst nach der Abgabe bemerke, dann bieten Verteidigungen und Prüfungsgespräche die Chance auf eine Klärung."

Auf die Frage, ob an seinem Lehrstuhl KI in irgendeiner Form im Bereich Lehre eingesetzt wird, antwortet Prof. Dr. Cap: "Gelegentlich. Statistisch textgenerierende KI wie ChatGPT bisher nur, um die sehr engen Grenzen dieser Technologie zu untersuchen. Grundsätzlich sollten Informatiker stets in der Lage sein, Größenordnungen und Plausibilitäten abzuschätzen. Sie müssen die Grundlagen und Grenzen von Werkzeugen kennen, denn nur dann können sie diese sinnvoll einsetzen."

Prof. Dr. Klaus Sandmann, Prorektor für Studium, Lehre und Hochschulentwicklung, Universität Bonn

"Die technologischen Möglichkeiten von KI betreffen die Bereiche Lehre und Forschung gleichermaßen. In Bonn profitieren wir von einer großen Expertise in der Erforschung von und der Forschung mit KI. Ich gehe davon aus, dass KI in der Wissenschaft schon in naher Zukunft selbstverständlich als Werkzeug eingesetzt wird. Die Stärken, zum Beispiel in der Analyse großer Datenmengen und komplexer Strukturen, wird mit Sicherheit sehr positiv zum Erkenntnisgewinn beitragen.

Im Bereich der Lehre tauschen sich die Universitäten aktuell über die LRK, die AG der Prorektor*innen NRW, ORCA.nrw und IAIS Fraunhofer intensiv aus. Studierende aller Studiengänge sollen an der Technologie und ihren Möglichkeiten partizipieren und über eine hohe fachliche Qualifikation hinaus Schlüsselkompetenzen der Nutzung, Einordnung und Wertung von mit KI erstellten Inhalten erhalten. Der Ideentransfer zwischen den Universitäten trägt dazu bei, durch neue Lehr- und Lernangebote genau diesen Anspruch sicherzustellen."

Ein Porträt von Professor Dr. Klaus Sandmann
Professor Dr. Klaus Sandmann lehrt an der Universität Bonn. Universität Bonn/Volker Lammert

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pj