Landtag Bayern
pixabay

Strukturreform
Bayern soll neues Hochschulgesetz bekommen

Das bayerische Wissenschaftsministerium arbeitet an einem neuen Hochschulrecht. Das sorgt für Unruhe.

09.11.2020

Während die bayerischen Hochschulen die ersten Tage ihres weitestgehend virtuellen Wintersemesters koordinieren, feilt das Wissenschaftsministerium am künftig im Freistaat geltenden Hochschulrecht. Die Eckpunkte des Vorhabens hat die bayerische Staatsregierung kürzlich bekanntgegeben, wann der Gesetzentwurf auf dem Tisch liegen wird, ist noch unklar.

Die Reform soll ein "deutschlandweit einmaliger Systemwandel"sein, kündigte Wissenschaftsminister Bernd Sibler das Vorhaben an: "Es braucht eine moderne Hochschulaufstellung, um das Potenzial aller bayerischen Hochschulen und ihre Funktion für die Gesellschaft noch besser ausschöpfen zu können."

Das "Hochschulinnovationsgesetz" sei Voraussetzung dafür, dass die bayerischen Hochschulen und das Land an der internationalen Spitze mitspielen könnten. Es soll das bisherige Hochschulgesetz und das Hochschulpersonalgesetz zusammenfassen und ein Signal für einen Neuaufbruch darstellen. Vorbild sei das Hochschulgesetz in Nordrhein-Westfalen. Dietmar Süß, Professor an der Universität Augsburg, nannte es in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" einen "durchökonomisierten Kurswechsel".

Kernpunkt des geplanten Rechtsrahmens sollen mehr Freiheiten und eine stärkere Eigenverantwortung der Hochschulen sein. Diese sollen zu eigenen Rechtskörperschaften werden und unabhängig vom Land über Budget, Bauvorhaben und Stellen entscheiden dürfen. Die Grundfinanzierung will der Freistaat künftig als Globalbudget zur Verfügung stellen. Das soll auch für die Finanzierung der Lehre gelten.

Mit den Freiheiten geht für die Hochschulen die Verpflichtung einher, ergebnisorientierter zu arbeiteten und konkreten Entwicklungsplänen und Zielvorgaben zu folgen. Der zugrundeliegende Leitgedanke sei der Dreiklang aus Forschung, Lehre und Weiterbildung sowie Transfer.

Sorge um Mitspracherecht

Die Sprecherin der bayerischen Universitäten und Augsburgs Unipräsidentin, Professorin Sabine Doering-Manteuffel, begrüßte das Potenzial für "mehr Autonomie, Dynamik und Differenzierung" in den Hochschulen. Einen stärkeren Transfer der wissenschaftlichen Arbeit in die Gesellschaft beschrieb sie in Zeiten der schnellen Verbreitung von Falschnachrichten auf Nachfrage von "Forschung & Lehre" für wichtiger denn je. Gleichzeitig dürfe am Grundsatz "erkenntnisgeleitender, zweckfreier Forschung und Lehre" nicht gerüttelt werden.

Doering-Manteuffel plädierte dafür, dass der Staat Anforderungen klar formulieren müsse. Ansonsten könnten sich die Hochschulen in einem "Selbstfindungsprozess" verlieren, der sie mehr lähmen als voranbringen würde.

Als eine von elf Sachverständigen war sie zur Vorstellung der Pläne in den Bayerischen Landtag geladen worden. Dort konnte sie sich zu einem Katalog von 80 Fragen positionieren. Das Eckpunktepapier war zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht worden, kursierte laut Medienberichten aber unter den Teilnehmenden.

Einer der Geladenen war auch der Landeschef des Deutschen Hochschulverbandes, Professor Max-Emanuel Geis. Der Erlanger Hochschulrechtler warnte davor, dass die Hochschulreform ein Ende der Gremienstruktur an den Hochschulen bedeuten könnte und damit die Mitspracherechte von Professorinnen und Professoren gefährde. Die Professoren Jens Kersten und Professor Martin Schulze Wessel warnten in der "F.A.Z." in Verbindung damit vor einer weiteren Verschiebung der Machtverhältnisse in Richtung der Hochschulleitungen.

Die aktuellen Leitungen der Exzellenzuniversitäten LMU und TU München zeigten sich interessiert an Gesprächen über die Reform, sie seien bislang jedoch nicht von der Staatsregierung angesprochen worden. Zur Anhörung geladen worden war nur der ehemalige Präsident der TU München, Professor Wolfgang Herrmann. Er begrüßte die Absicht, das Lebenslange Lernen und die Förderung von Ausgründungen zu stärken. Außerdem sprach er sich für eine Beschleunigung von Berufungsverfahren aus.  

Das sieht die Präsidentin der KU Eichstätt-Ingolstadt, eine der kleinsten Universitäten im Land ähnlich. "Das ist vor allem für den internationalen Wettbewerb wichtig", sagte Professorin Gabriele Gien gegenüber "Forschung & Lehre". Die Gremienkultur und die Beteiligung der Hochschulangehörigen in Entscheidungsprozesse dürfe jedoch "als oberste Maxime" nicht angetastet werden. 

Stärkung von Talentförderung und Unternehmertum

Mit der Hochschulreform sollen die Talentförderung und das Unternehmertum an den Hochschulen gestärkt werden. Die Hochschulen sind angehalten, für Beschäftigte und externe Interessierte ihre Weiterbildungsangebote auszubauen und Start-ups stärker zu fördern. Dafür sollen Forschende der Universitäten etwa mehr Freiheiten bei Gründungsfreisemestern erhalten und Professorinnen und Professoren neben Lehre und Forschung stärker unternehmerisch sein dürfen als bislang.

Karrierewege in der Wissenschaft sollen attraktiver werden, zum Beispiel durch Tenure-Track-Stellen. Auch soll eine Nachwuchsgruppenleitung für eine Professur qualifizieren, was aktuell zwar möglich, aber neben Habilitation und Juniorprofessur weiterhin die Ausnahme ist. An Hochschulen für angewandte Wissenschaften will der Freistaat in besonders forschungsstarken Bereichen das Promotionsrecht einführen.

Ein besseres Angebot an fremdsprachigen, insbesondere englischsprachigen Studiengängen, soll den Standort Bayern für Studierende aus dem Ausland interessanter machen und die internationale Sichtbarkeit stärken. Gleichzeitig sollen Hochschulen bei Nicht-EU-Ausländern "umfassende Gebührenerhebungsmöglichkeiten"erhalten.

Die geplante Hochschulreform ist Teil der Technologieoffensive Higtech Agenda Bayern zur Stärkung des Standorts Bayern in der Welt. Mit insgesamt zwei Milliarden Euro will das Land 1.000 neue Professuren und 10.000 neue Studienplätze sowie 20 Spitzenforschungszentren schaffen. Im Fokus stehen Informatik und Künstliche Intelligenz.

kas