Portraitfoto von Professoring Dorothea Wagner, Vorsitzende des Wissenschaftsrats.
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Wissenschaftsrat
Besser kommunizieren, nicht mehr

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind nicht verpflichtet über ihre Arbeit zu informieren. Aber sie könnten dabei besser unterstützt werden.

05.11.2021

Nicht in der Menge der Wissenschaftskommunikation bestehe Nachholbedarf, sondern in ihrer Qualität, so der Wissenschaftsrat in einem neuen Positionspapier, das die Rahmenbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten im Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit analysiert.

Wissenschaftskommunikation stoße auf gesellschaftlich kontroversen Themenfeldern und in einem sich stark verändernden Medienumfeld an Grenzen. Durch die Corona-Pandemie seien diese Schwierigkeiten besonders deutlich geworden, auch wenn sie schon vorher bestanden hätten.

"Wenn Spannungsverhältnisse zwischen wissenschaftlichem Wissen, gesellschaftlichen Interessen und politischem Handeln bestehen, dann sind sie nicht durch eine erweiterte oder verbesserte Wissenschaftskommunikation auflösbar", betont Professorin Dorothea Wagner, die Vorsitzende des Wissenschaftsrats. "Solche Konflikte müssen gesamtgesellschaftlich reflektiert und austariert werden."

Empfehlungen des Wissenschaftsrats

Das Positionspapier des Wissenschaftsrat beschreibt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf anspruchsvolle Kommunikationsaufgaben nicht ausreichend vorbereitet seien und nicht genügend Unterstützung erhielten. Die an vielen Einrichtungen vorhandenen Presse- und Öffentlichkeitsabteilungen hätten nämlich oft institutionelle Ziele. Diesen empfiehlt der Wissenschaftsrat die Ziele und Instrumente ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kontinuierlich zu prüfen, Qualitätsstandards umzusetzen und kommunizierende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Bedarf zu begleiten. Allgemein sollte die Forschung zu Wissenschaftskommunikation ausgebaut werden.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hätten allerdings keine persönliche Kommunikationspflicht. "Sie sollten aber darauf vorbereitet sein, dass das eigene Forschungsthema in der gesellschaftlichen Diskussion relevant wird", so Wagner. Das Engagement, das hinter freiwilliger Kommunikation steht, solle mehr Anerkennung finden. Im Idealfall, so der Wissenschaftsrat, beobachte die Wissenschaft, welche Forschungsfelder zu Angelegenheiten öffentlichen Interesses werden könnten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten gesellschaftliche Debatten verfolgen, um dann proaktiv kommunizieren zu können. Werden wissenschaftliche Fragen zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen, dürfe es aber nicht nur einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern oder wissenschaftlichen Einrichtungen überlassen bleiben, Position zu beziehen und als Korrektiv gegen Desinformation zu wirken. Außerdem sei es auf kontroversen Themenfeldern erforderlich, dass die wissenschaftliche Erkenntnis- und die politische Handlungsebene (etwa durch ein politisches Engagement des Wissenschaftlers oder der Wissenschaftlerin) klar unterscheidbar seien, da es sonst zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit käme.

Das Positionspapier widmet sich ebenfalls dem Wissenschaftsjournalismus, besonders hinsichtlich der schwierigen ökonomischen Situation, in der sich viele Presseverlage befänden. Als kritischer Beobachter der Wissenschaft sei dieser Journalismus notwendig, weshalb Bund und Länder auch überprüfen sollten, wie Förderstrukturen für einen unabhängigen Wissenschaftsjournalismus verfassungskonform ausgestaltet werden können. Qualitätsjournalismus sei umso wichtiger, da Social-Media-Plattformen zur Verbreitung von Desinformation genutzt würden.

Der Wissenschaftsrat hat das Positionspapier "Wissenschaftskommunikation" auf seinen Herbstsitzungen am 29. Oktober 2021 in Kiel verabschiedet. Es ist online einsehbar.

cpy