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Hochschulsystem
DHV fordert mehr "Klasse statt Masse"

Der Deutsche Hochschulverband kritisiert Fehlanreize in der Wissenschaft. Damit die Qualität steigt, soll auch die Lehrverpflichtung sinken.

10.04.2019

Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat die Leistungskriterien in der Wissenschaft kritisiert. Der Blick auf die Länge der Publikationsliste bei Einstellungen und die drittmittelgeförderte Forschung führten zu immer mehr Forschungsarbeiten. Deren Qualität leide.

"In der Wissenschaft muss wieder mehr inhaltlich beurteilt und weniger gezählt werden", erklärte DHV-Präsident Professor Bernhard Kempen bei der Jahrestagung des Verbands. "Der Wert und die Qualität wissenschaftlicher Ergebnisse beruhen auf Klasse, nicht auf Masse."

Für Förderanträge beziehungsweise Berufungsverfahren solle man bei Publikationslisten auf wenige aussagekräftige und nicht eine möglichst hohe Anzahl von Veröffentlichungen geachten werden.

Mehr Mut zur risikoreichen Forschung

Eine kluge Wissenschaftspolitik dürfe sich nicht fortlaufend von Nützlichkeitserwägungen leiten lassen. "Anstatt die Wissenschaft in eine permanente Antragshektik zu versetzen, sollte die Politik vermehrt kreative Denk- und Arbeitsprozesse ermöglichen", forderte Kempen. "Der Mut zum Risiko, abseits des Mainstreams zu forschen, muss sich lohnen." Dazu gehöre auch, die Balance zwischen Grundlagenforschung und anwendungsbezogener Forschung sicherzustellen. 

"Alle Fachleute wissen letztlich, wo es in der Wissenschaft schlecht läuft. Aber es fehlt am Veränderungswillen und der Zuversicht, schlechte Regeln ändern zu können."

Der Verband wiederholte seine Forderungen nach einer ausreichenden Grundfinanzierung der Universitäten durch Bund und Länder, die mit den kontinuierlichen Mittelaufwüchsen außeruniversitärer Forschungseinrichtungen Schritt halten müsse. Nur so könne unabhängig und langfristig Forschung auf hohem Niveau gesichert werden.

Damit verbunden müsse ein Zuwachs von Professorinnen und Professoren sein, der auch eine Verbesserung der Studienbedingungen sicherstelle, sowie verlässliche Karriereperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs.

DHV: Noteninflation stoppen

Die Lehrverpflichtung von Beschäftigten an Universitäten soll laut Ansicht des Hochschulverbands sinken, mittelfristig von neun auf acht und längerfristig auf sieben Semesterwochenstunden bei Professorinnen und Professoren. Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren nur noch vier Semesterwochenstunden lehren müssen. Die Vielzahl der Aufgaben von Wissenschaftlern sei nicht zuletzt wegen der gestiegenen Prüfungszahl durch die Bologna-Reform und Verwaltungsaufgaben neben den Forschungsausgaben ansonsten zu hoch. An Fachhochschulen liegt das Lehrdeputat seit jeher deutlich höher, aktuell bei 18 Wochenstunden.

Einen problematischen Trend sieht der DHV auch in Studium und Schule. "Die Notenvergabe in Schulen und Hochschulen muss wieder das komplette Bewertungsspektrum abdecken", fordert Kempen daher. "Das Abitur muss durch Vereinheitlichungen und bessere Absprachen unter den Ländern gestärkt und wieder zu einem aussagekräftigen Nachweis der tatsächlichen Hochschulzugangsbefähigung gemacht werden."

kas