CERN Logo vor blauem Hintergrund
picture alliance/KEYSTONE | SALVATORE DI NOLFI

Fachpublikationen
Krieg behindert Publikation von Cern-Forschung

Der russische Angriff auf die Ukraine belastet Wissenschaftskooperationen. Hunderte Studien verbleiben unveröffentlicht in einer Warteschleife.

24.01.2023

Ein Streit um die Nennung russischer Institute bei wissenschaftlichen Studien sorgt in der Teilchenphysik für einen einzigartigen Publikationsstau. Tausende Physikerinnen und Physiker, die an Experimenten beim Teilchenbeschleuniger der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) in Genf beteiligt waren, sehen die Ergebnisse ihrer Arbeit seit Monaten nicht in Fachjournalen veröffentlicht, wie Cern-Forschungsdirektor Professor Joachim Mnich der Deutschen Presse-Agentur sagte. Es gehe inzwischen um rund 200 Studien, die Hälfte davon bereits von unabhängigen Gutachtern beurteilt (Peer Review) und theoretisch zur Publikation freigegeben.

Fachjournale bestehen darauf, dass Autorinnen und Autoren eindeutig identifiziert werden. Das passiert in der Regel über die Nennung ihrer Institute. Einige Cern-Kooperationspartner blockieren dies aber im Fall russischer Institute, wie Mnich sagt. Stein des Anstoßes sei unter anderem, dass sich die Leitungsgremien einiger dieser Institute hinter den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestellt haben.

Publikationsstau erschwert Karrieren junger Forschender

"Publikationen sind die harte Währung der Wissenschaft, sowohl für die Karriere junger Leute als auch Anträge auf Fördergelder", sagte Mnich. Der Druck, zu einer Lösung zu kommen, steige. Die Cern-Studien werden zwar mit der Einreichung bei Fachjournalen bereits als vorläufige Arbeit veröffentlicht. Aber in manchen Ländern könnten Doktorarbeiten nur abgeschlossen werden, wenn die Autorinnen und Autoren in Fachjournalen veröffentlicht haben. In Deutschland sei das nicht der Fall.

Es gehe nicht darum, Autorinnen und Autoren, die zu einer Studie beigetragen haben, nicht zu nennen, betonte Mnich. Es gehe um die Institute. Eine Alternative könne sein, die Beteiligten anhand ihrer ORCID-Nummer zu identifizieren. So eine Kennung, die für "Open Researcher & Contributor ID" steht, hat jeder Forschende, um seine Beiträge etwa bei Namensgleichheit mit anderen oder unterschiedlichen Schreibweisen eindeutig zuordnen zu können. Nach Angaben von Mnich umfasst die Autorenliste bei Cern-Experimenten oft bis zu 3.000 Namen.

Die Cern-Experimente werden jeweils von einem Kollaborationsausschuss begleitet, in dem alle beitragenden Institute eine Stimme haben. Dort konnte bislang keine Einigung gefunden werden. Das Cern hat die Kooperationen mit Russland und Belarus zwar gekündigt. Sie laufen aber noch bis 2024. "Das ist ein sehr emotionales Thema, das macht die Findung eines annehmbaren Kompromisses schwierig", sagte Mnich.

dpa